In einem zwölfseitigen Papier hatten sich die Sondierer zuvor unter anderem darauf geeinigt, Einkommens-, Unternehmens- und Mehrwertsteuer nicht zu erhöhen und die Einführung von "Superabschreibungen für Klimaschutz-Investitionen" geeinigt. Beschlossen wurde unter anderem auch die Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro und die Zielmarke von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr. Während die Parteichefs von SPD, Grünen und FDP die vertraulichen Gespräche lobten und Wirtschaftsverbände sich erleichtert über die Absage an Steuererhöhungen zeigten, kam von CDU, CSU, Linken und Sozialverbänden Kritik.

Scholz sagte bei dem gemeinsamen Auftritt mit den Parteichefs, dass er eine neue Bundesregierung vor Weihnachten bilden wolle. Vertreter aller drei Parteien hätten deutlich gemacht, dass die Gespräche bis dahin abgeschlossen sein sollten, betonte er. Die SPD-Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, FDP-Chef Christian Lindner sowie die Grünen-Ko-Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck schlugen ihren Parteien übereinstimmend den Einstieg in Koalitionsgespräche vor. Diese dürften kommende Woche beginnen. Die Grünen wollen am Sonntag ein Votum des Länderrates für Koalitionsgespräche einholen. Bei der SPD muss der Parteivorstand und bei der FDP sollen am Montag die Gremien grünes Licht geben.

GEGENSEITIGE ZUMUTUNGEN UND VERTRAUEN


"Es ist völlig klar, dass es Zumutungen gibt", sagte Grünen-Co-Chef Habeck nach den Gesprächen mit Blick auf die gegenseitigen Kompromisse der Ampel-Parteien. So habe man auf die von der FDP abgelehnten Belastungen durch Steuererhöhungen verzichtet und trotzdem genug Investitionsspielraum geschaffen. Der hohe Finanzbedarf etwa für Klimainvestitionen war einer der großen Streitpunkte im Wahlkampf gewesen, in dem SPD und Grüne für höhere Steuern für Gutverdienende plädiert hatten. Die FDP hatte sie abgelehnt.

"Wir sind überzeugt nach den Gesprächen, dass es lange Zeit keine vergleichbare Chance gegeben hat, Gesellschaft, Wirtschaft und Staat zu modernisieren", sagte FDP-Chef Lindner. "Allein dieser Stil markiert schon eine Zäsur in der politischen Kultur Deutschlands", fügte er mit Blick auf die Gespräche hinzu. Habeck sprach von einem "Glutkern der gesellschaftlichen Modernisierung", SPD-Co-Chef Walter-Borjans von dem Respekt der drei Parteien füreinander.

FISKALISCHER SPIELRAUM ODER UNGEDECKTE SCHECKS?


Finanzminister Scholz wies Bedenken zurück, dass viele der Projekte wie ein zehn Milliarden Zuschuss aus dem Haushalt für den Einstieg in eine teilweise kapitalgedeckte Rentenversicherung in 2022 nicht finanziert werden könnten. Es "besteht der fiskalische Spielraum für das, was notwendig ist", betonte der SPD-Politiker auf die Frage der Finanzierbarkeit der von allen drei Parteien betonten notwendigen Investitionen. Dazu sollen auch "überflüssige, unwirksame und umwelt- und klimaschädliche Subventionen und Ausgaben" überprüft werden, heißt es in dem Papier.

Dagegen übten CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt scharfe Kritik. Ziemiak sprach von einem "kunterbunten Wunschzettel mit vielen großen Worten und noch mehr Fragezeichen". Die Vorhaben seien nicht finanziert. "Die Ampel steht deutlich auf Rot: Steuererhöhungen für Millionen Bürger durch die Abschaffung sogenannter Subventionen und eine Vergemeinschaftung von Schulden in Europa", teilte Dobrindt mit.

Während sich Wirtschaftsverbände erleichtert über die Absage an Steuererhöhungen zeigten, kritisierte der Paritätische Wohlfahrtverband die Beschlüsse: "Sollten SPD, Grüne und FDP potenzielle Steuererhöhungen tatsächlich zum Tabu erklären, machen sie sich schlicht handlungsunfähig", teilte er mit. Commerzbank-Volkswirt Jörg Krämer sagte, es sei unklar, wie eine Ampel-Koalition viel Geld für Investitionen ausgeben wolle.

"Insgesamt ein gutes Paket", twitterte der Präsident des Ifo-Instituts, Clemens Fuest. DIW-Präsident Marcel Fratzscher sprach dagegen von einem vielversprechenden ersten Schritt. In einer gemeinsamen Erklärung forderten BDI-Präsident Siegfried Russwurm und der IG-Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann "massive investitionspolitische Impulse" von einer neuen Regierung.

Lob und Kritik kam auch von Umweltverbänden. Der WWF lobte zwar das Bekenntnis zur Einhaltung des 1,5-Grad-Limits und zum beschleunigten Kohleausstieg. Aber es fehle eine konsequente Haltung in dem Papier. Ein Beispiel sei, dass eine Solardach-Pflicht etwa nur für gewerbliche Neubauten kommen soll.

Laut ZDF-Politbarometer treffen die Pläne zur Bildung einer Ampel-Koalition auf Zustimmung der Bevölkerung. 62 Prozent der Befragten fänden eine Regierung aus SPD, Grünen und FDP danach gut. Unterstützung gibt es in der Umfrage auch für einen Kanzler Olaf Scholz. Drei Viertel der Befragten fänden es gut, wenn der SPD-Politiker Kanzler würde.

rtr