Knapp drei Jahre ist es her, dass André Stagge seinen Job im Fondsmanagement an den Nagel hängte. Seitdem betätigt er sich als Dozent und als Börsencoach für Privatanleger. Der 38-Jährige spürt Marktanomalien nach, die sich gewinnbringend nutzen lassen. In einer Zeitreihenanalyse des US-Markts stieß er auf ein Phänomen, dem bislang kaum jemand Beachtung schenkte: Der erste Monat eines Quartals ist fast immer der stärkste. Demnach könnte der bevorstehende Juli ein guter Börsenmonat werden.
"Schlaue Investoren können das Phänomen nutzen und vermehrt am Anfang des Quartals ihr Geld investieren", sagt Stagge. In der Mitte und am Ende eines Quartals gebe es im Durchschnitt weniger zu verdienen. Zudem sei die Börse dann schwankungsanfälliger. Woran das liegt? Nach Auswertung aller verfügbaren Daten des US-Markts lieferten ihm seine eigenen Erfahrungen aus dem Fondsmanagement einen Erklärungsansatz: "Zu Beginn eines Quartals verfügen institutionelle Investoren häufig über frische Risikobudgets. Sie konnten in Gesprächen mit ihren Kunden Mittel akquirieren. Diese werden meist zum Start des Quartals angelegt." Besonders ausgeprägt ist der Trend in guten Aktienjahren, wenn die Börse Kursgewinne aufweist: "Große Vermögensverwalter und Fondsgesellschaften haben die Möglichkeit, zu Beginn eines Quartals mehr Risikopositionen einzugehen."
Ein weiterer Grund dürften laut Stagge Aktienrückkäufe sein, die ebenfalls meist zu Beginn eines Quartals angekündigt werden. Bevor Unternehmen eigene Aktien zurückkaufen, brauchen sie die Zustimmung der Hauptversammlung und müssen die Aufsichtsbehörden informieren. Das dauert einige Zeit. Häufig finden sowohl die Ankündigung für einen Rückkauf als auch die tatsächliche Umsetzung dann zu Beginn eines Quartals statt, wodurch die Nachfrage nach Aktien steigt.
Daraus lässt sich eine simple Strategie ableiten, die Stagge den "Quartalstrick" nennt: "Ich investiere mein Geld nur im ersten Monat des Quartals, also im Januar, April, Juli und Oktober." Kaufzeitpunkt ist der letzte Handelstag des Vormonats kurz vor Börsenschluss. Der Ausstieg erfolgt am letzten Handelstag des Quartalsauftaktmonats, ebenfalls kurz vor dem Schlussgong. Der Vorteil dieser Strategie liegt in der einfachen Umsetzung: In jedem Jahr gibt es acht klar definierte Zeitpunkte, zu denen man aktiv werden muss. Der Nachteil: Wer so verfährt, verpasst die historisch starken Börsenmonate am Jahresende, denn November und Dezember stellen den Oktober als ersten Monat des Schlussquartals deutlich in den Schatten. Auch dafür gibt es eine rationale Erklärung, denn Weihnachtsgelder und Boni werden meist gegen Jahresende ausgezahlt. Insofern ist um den Jahreswechsel herum mehr Liquidität im Markt als etwa in den gefürchteten Spätsommermonaten August und September.
Eine denkbare Variante wäre deshalb, den Quartalstrick nur von Januar bis September anzuwenden und im vierten Quartal durchgängig investiert zu bleiben, um die Jahresendrally mitzunehmen. Wer die häufig auf einen starken Januar folgende Februarkorrektur nicht scheut, könnte sogar von Anfang Oktober bis Ende April im Markt bleiben, da auch der März in der Vergangenheit gut abschnitt. Wer so verfährt, muss nur viermal im Jahr handeln.
Auch wenn sich die Strategie noch durch etliche Nachjustierungen weiter optimieren lässt, zählt für Stagge vor allem eines: "Sie funktioniert seit über 75 Jahren - und das in fast allen Märkten. Am besten im Dow Jones Index." Demnach ist die Wahrscheinlichkeit für einen starken Börsenmonat Juli hoch. Wer auf saisonale Muster vertraut, kann sich am 30. Juni einen ETF auf den Dow Jones oder den S & P 500 ins Depot legen oder gehebelt auf einen starken Juli setzen. Im letzteren Fall aber mit überschaubarem Kapitaleinsatz. Denn nicht jedes Börsenjahr verläuft gleich.