Verbraucherschützer halten den Gesetzesentwurf für "unzureichend". "Er schützt das Provisionsgeschäft von Banken und Sparkassen", moniert Dorothea Mohn, Finanzexpertin beim Verbraucherzentrale Bundesverband (Vzbv). "Verbraucher können nicht einmal erkennen, wo sie eine unabhängige Beratung bekommen und wo Provisionen oder Margen die Empfehlung eines Anlageprodukts beeinflussen." Besonders kritisiert sie, dass Finanzinstitute auch künftig ihre Margen bei Festpreisgeschäften nicht offenlegen müssen. Die Anlageberatung bleibe daher "befangen".
Zum Hintergrund: Bei Festpreisgeschäften kassiert das Kreditinstitut keine Provision, sondern verkauft ein Finanzprodukt - etwa ein Zertifikat oder eine Anleihe - weiter, das es zuvor zu einem günstigeren Preis vom Produktanbieter erstanden hat. Die Bank erzielt folglich eine Marge - und hat daher laut Verbraucherschützern einen Anreiz, Anlegern zu diesem Produkt zu raten. Mohn wittert darin einen "Umgehungstatbestand".
Der Clou: Solche Gewinnmargen müssen nicht offengelegt werden, herkömmliche Provisionen für einen Produktverkauf dagegen schon - was der Vzbv bemängelt und geändert sehen möchte. Mittelfristig fordert er für Deutschland die komplette Trennung von Beratung und Vertrieb von Finanz-anlageprodukten, wie es etwa in den Niederlanden und Großbritannien bereits vorgeschrieben ist.
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Ab 2018 wird es ernst
Vorerst kommt das in Deutschland nicht. Denn in weiten Teilen ist das Gesetzespaket vor allem eine Eins-zu-eins-Umsetzung der europäischen Finanzmarktrichtlinie Mifid II (Markets in Financial Instruments Directive II) - was der Finanzindustrie grundsätzlich recht ist, fürchtet sie doch andernfalls um ihre Wettbewerbsfähigkeit.
In der Vergangenheit war der deutsche Gesetzgeber mehrmals weiter vorgeprescht und hatte Sonderregelungen eingeführt. Dazu zählt beispielsweise das bei der Finanzaufsicht Bafin geführte Beraterregister, das der Branche ein Dorn im Auge ist und das sie am liebsten wieder gestrichen haben möchte. Ein anderes Beispiel sind die in Deutschland bereits im Jahr 2010 eingeführten Beratungsprotokolle in der Anlageberatung.
Sie werden künftig durch EU-weit geltende Geeignetheitserklärungen abgelöst, genaue Detailregelungen dazu werden noch erarbeitet. "Um die Schwächen der bisherigen Beratungsprotokolle zu beheben, müssen die neuen Erklärungen stärker als bisher vorgesehen standardisiert werden", fordert der Vzbv. Ähnlich wie bislang soll auch aus den Geeignetheitserklärungen künftig hervorgehen, warum ein Produkt empfohlen wurde und ob es tatsächlich zu den Bedürfnissen des Anlegers passt.
Der Vzbv kritisiert allerdings, dass bei Anlageberatungen auch in Zukunft nicht überprüft wird, ob der Erwerb eines Anlageprodukts überhaupt sinnvoll ist. "Hat ein Kunde Kreditverbindlichkeiten, könne eine am Kundeninteresse ausgerichtete Anlageempfehlung auch lauten, zunächst diese Kredite zu tilgen, bevor ein Anlageprodukt erworben wird." Diesen Hinweis dürfen Kunden aber auch künftig nicht erwarten.
In einem nicht zu unterschätzenden Punkt geht der deutsche Gesetzgeber über die EU-Regeln hinaus, hier allerdings ausnahmsweise sehr zur Zufriedenheit von Banken und Sparkassen: Mifid II verschärft die Anforderungen an die Zulässigkeit von Vertriebsanreizen, vor allem von Provisionen. Anbieter müssen demnach nachweisen, dass Provisionen die Qualität der Beratung erhöhen. Eine solche Qualitätsverbesserung liegt zumindest nach Meinung des Bundesgesetzgebers auch vor, wenn Banken ein weitverzweigtes regionales Filialnetz mit Vor-Ort-Beratern unterhalten. Verbraucherschützer können das nicht nachvollziehen - und sehen in dieser geplanten Vorschrift vielmehr einen Filialschutzparagrafen.
Die neuen Regeln sollen ab 3. Januar 2018 EU-weit greifen, bis Mitte Juli 2017 soll das Gesetzespaket in Deutschland verabschiedet sein. Neben vielen anderem werden Handelsplätze, Hochfrequenzhandel und umstrittene Warenderivate stärker reguliert und überwacht.