Die Konservativen um Premierministerin Theresa May verloren ihre absolute Mehrheit im britischen Unterhaus. "Mays Plan für einen harten Brexit-Kurs ist nicht aufgegangen", urteilt Volkswirt Jan Bottermann von der Essener National-Bank. "Damit werden die Dinge in Europa nicht einfacher, auch wenn eine Einigung mit der EU perspektivisch wahrscheinlicher geworden ist." Unter einem "harten" Brexit verstehen Börsianer den Ausstieg Großbritanniens aus der EU, bei dem das Vereinigte Königreich den Zugang zum Binnenmarkt verliert.
In den vergangenen Tagen büßte der Dax zwar ein knappes halbes Prozent ein, blieb aber auf Tuchfühlung mit seinem Rekordhoch von 12.878,59 Punkten. NordLB-Experte Basse schließt in der ersten Hälfte der neuen Woche einen Test dieser Marke nicht aus. Ein positiver ZEW-Index, der die Stimmung der Börsenprofis widerspiegelt, könnte ihn am Dienstag zumindest kurzfristig darüber hieven.
Carsten Mumm, Chef-Analyst des Bankhauses Donner & Reuschel, mahnt allerdings zur Vorsicht. Die Überhitzung der Märkte sei nicht zu übersehen. "Dies gilt sowohl für Übersee als auch für Europa." Dem Anlage-Experten Joachim Goldberg von der Beratungsfirma Goldberg und Goldberg zufolge gibt es Anzeichen für einen nachlassenden Zufluss ausländischen Kapitals, von dem die europäischen Aktien zuletzt deutlich profitiert hätten.
WOCHE DER NOTENBANKEN
Ihr Hauptaugenmerk richten Börsianer allerdings auf die Beratungen der US-Notenbank (Fed). Diese werde den Schlüsselzins am Mittwoch voraussichtlich um 25 Basispunkte auf ein bis 1,25 Prozent anheben, prognostiziert Mark Holman, Gründer und Chef des Vermögensverwalters TwentyFour. "Zwar hat das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr die Erwartungen verfehlt und die Inflationsaussichten sind gedämpfter als noch im Februar. Dennoch sind das Lohnwachstum und die Inflation bei annähernder Vollbeschäftigung im Augenblick stabil."
Hinweise auf die US-Geldpolitik erhoffen sich Börsianer unter anderem von den Inflationszahlen und den Einzelhandelsumsätzen, die wenige Stunden vor dem Fed-Entscheid veröffentlicht werden. Andere Konjunkturdaten wie die europäische Industrieproduktion (Mittwoch) spielen nur die zweite Geige.
Von der Bank von England (BoE) erwartet LBBW-Aktienexperte Uwe Streich keine Veränderungen der Geldpolitik, da die Notenbank wohl zunächst die Auswirkungen der Unterhauswahl analysieren müsse. Die BoE wird Börsianern zufolge daher am Donnerstag ihre bisherige Haltung bekräftigen. Am Tag darauf werde die Bank von Japan (BoJ) aber ähnlich wie die EZB in der alten Woche ihre Konjunkturprognose anheben, betonten Insider zuletzt. Spätestens bei der darauffolgenden Sitzung im Juli werde die BoJ optimistischere Töne anschlagen.
FRANKREICH-WAHLEN VORAUS - HEXENSABBAT AM FREITAG
Den anstehenden Parlamentswahlen in Frankreich an diesem und dem kommenden Sonntag blicken Investoren vergleichsweise entspannt entgegen. Umfragen zufolge kann die Partei des frisch gewählten Präsidenten Emmanuel Macron bis zu 380 der insgesamt 577 Sitze gewinnen. "Die Marktreaktion wäre sehr positiv, da Macron rasch mit seinen Reformen beginnen könnte", sagt Fondsmanagerin Camilla Nathhorst Odevall vom Vermögensverwalter Edmond de Rothschild. Sie traut den Börsen prozentual zweistellige Kursgewinne zu.
Am kommenden Freitag ist an der Börse Hexensabbat. Dann verfallen Futures auf Indizes sowie Optionen auf Indizes und einzelne Aktien. In den Tagen zuvor schwanken die Aktienkurse üblicherweise stark, weil Investoren die Preise derjenigen Wertpapiere, auf die sie Derivate halten, in eine für sie günstige Richtung bewegen wollen.
rtr