Den Ukraine-Krieg und die Sanktionen des Westens gegen Russland bekommt deutsche Autoindustrie immer stärker zu spüren. Volkswagen, Mercedes und BMW stoppen ihre Produktion in Russland. Weil Zulieferteile fehlen, kommt es zunehmend auch zu Produktionsstopps in deutschen Werken. Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer sieht das als überschaubares Problem, das die deutschen Autobauer schnell in den Griff bekommen werden.
Boerse-Online.de: Unternehmen wie BMW, VW und Mercedes haben ihre Exporte nach Russland und ihre Produktion vor Ort gestoppt. Welche Auswirkungen hat das kurz- und mittelfristig auf die wirtschaftliche Lage der deutschen Autobauer?
Ferdinand Dudenhöffer: Russland ist ein Zwergenmarkt. BMW hat letztes Jahr "dürre" 46.800 Neuwagen in der Ukraine verkauft. Gemessen an den 2,2 Millionen BMW-Verkäufen weltweit sind dies zwei Prozent, also Peanuts. Bei den Anderen liegt es ähnlich. Das derzeitige Risiko in Russland ist dabei enorm. Kein Mensch weiss, was Putin morgen macht. Kein Mensch weiss, ob für die gelieferten Neuwagen dann wertlose Rubel angeboten werden oder Zahlungen ganz ausfallen. Besser Finger weg von Putin-Russland.
Gleichzeitig führen Lieferausfälle aus der Ukraine dazu, dass beispielsweise auch die Produktion in deutschen Werken zum Erliegen kommt (z. B. BMW). Wie anfällig sind die Lieferketten der deutschen Autobauer für solche Störungen?
Es ist eine zeitlich überschaubares, regionales Problem. In der Hauptsache sind es Kabelbäume. Kabelbäume werden in Billigländern produziert mit wenig Technologie. So etwas läßt sich in ein paar Monaten verlagern. Und wer in Nordafrika, Türkei, Bulgarien, Rumänien oder ähnlichen Ländern produziert hat das Problem nicht und erst recht nicht die Produktionen von VW, BMW, Mercedes in USA oder China. Also ein lokaler Engpass zeitlicher Engpass, der mit Kurzarbeit überbrückt wird und später wieder aufgeholt werden kann. Also ruhig bleiben, denn hier hilft die Globalisierung sehr viel.
Wie rasch können die deutschen Autobauer ihre Lieferbeziehungen umstellen, um diese Störungen auszugleichen?
Sollte die Ukraine-Lage mehrere Monate sehr kritisch bleiben ist eine Verlagerung nach meiner Einschätzung nahezu problemlos. Es wird drei bis vier Wochen weh tun, aber auch nicht mehr als ein längerer Streik.
Könnte es über solche Effekte nicht doch zu weiteren Beeinträchtigungen der Produktion kommen?
Es wird nicht eine ganze Supply Chain lahmgelegt, sondern das Endprodukt Fahrzeug-Montage lokal und zeitlich begrenzt. Also Lichtjahre vom Problem der Halbleiter entfernt.
Haben Sie bereits eine Vorstellung, wie sich der globale Automarkt durch den Ukraine-Krieg verändern könnte?
Russland wird im Autobereich deindustrialisiert. Man hat eigentlich nur GAZ bei leichten Nutzfahrzeugen und UAZ als russische Autobauer, und die arbeiten mit den Technologien aus den Zeiten der Sowjetunion. Der Rest ist alles Technologie der westlichen Autobauer, und die werden sich genau die Russland Risiken anschauen. Also der Markt bricht ein, die dramatische Rubel-Abwertung macht Auto für Russen nahezu unbezahlbar und viele ziehen sich zurück. Auf dem Feld der Autoindustrie sackt Russland ab auf die Zeit der Sowjetunion.
Für die Autowelt ist Russland ein Zwerg. Die Zeiten in denen über BRIC - also Brasilien, Russland, Indien, China - von Goldman-Sachs fabuliert wurde ist längst vorbei. Die Autowelt braucht Russland nicht. China ist der Nabel der Autowelt und Russland eher eine kleine Provinz von China.
Die deutsche Autoindustrie stolpert von einem Versorgungsloch in das nächste: Erst Pandemie, dann Chipmangel, und jetzt der Ukraine-Krieg. Müssen die Hersteller nicht endlich mal ihre Lieferketten für die neue geopolitische Weltlage wetterfest machen?
Ruhig Blut und nicht das Kinde mit dem Bad ausschütten. Der Putin-Krieg war so nicht vorhersehbar, und mal ehrlich, bis auf die Kabelbäume sind wir gut abgesichert. Lokale, zeitlich begrenzte Engpässe treten immer wieder auf und gerade da ist die Globalisierung sehr hilfreich. Und Corona und Chipmangel. Wenn wir ein geopolitisches Problem haben hilft doch auch die Scholle vor der Haustür wenig. Bosch und Infineon sind schon lange mit Halbleitern in Deutschland unterwegs,.. aber das hat uns doch nicht verschont. Wenn sie die Trägheit in Deutschland sehen - etwa bei der Genehmigung von Tesla in Grünheide - sollten wir froh sein, dass wir internationale Flexibilität haben und nicht in der deutschen Trägheit erstarren. Sie werden staunen, wie dynamisch die Welt in China oder Silicon Valley ist und wie schnell daher Bottlenecks aufgelöst werden.