Am 28. Juni 2018 hat der Deutsche Bundestag den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Ausübung von Optionen der neu gefassten EU-Prospektverordnung verabschiedet. Darin werden mehrere Finanzmarktgesetze, unter anderem das Wertpapierprospektgesetz (WpPG), an die EU-Vorgaben angepasst und eingeräumte Wahlmöglichkeiten ausgeübt. Gültig sind die neuen Regelungen seit dem 21. Juli 2018. Ab diesem Zeitpunkt sieht die neue EU-Prospektverordnung ohnehin vor, dass die Mitgliedstaaten für Wertpapieremissionen unter einer Million Euro keinen Wertpapierprospekt mehr vorschreiben dürfen. Ergänzende Dokumentationspflichten auf nationaler Ebene, die keinen unverhältnismäßig hohen Aufwand für Emittenten verursachen, sind allerdings weiterhin möglich.
Nach dem neu gefassten WpPG ist unter anderem vorgesehen, dass Unternehmen bei der Emission von Wertpapieren mit einem jährlichen Gesamtgegenwert von 100 000 Euro bis maximal acht Millionen Euro keinen vollständigen und aufwendigen Wertpapierprospekt mehr erstellen müssen. Stattdessen muss der Emittent aber ein dreiseitiges sogenanntes Wertpapier-Informationsblatt (WIB) veröffentlichen. Dieses ähnelt dem Vermögensanlage-Informationsblatt (VIB) und soll auf drei DIN-A4-Seiten die wesentlichen Informationen über die Wertpapiere in kurzer und verständlicher Form enthalten. Das WIB soll von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) innerhalb von zehn Tagen für die Veröffentlichung gestattet werden. Neu sind auch Anlagehöchstschwellen für Privatanleger. Diese sogenannten nicht qualifizierten Anleger dürfen Beträge von über 1000 Euro nur dann investieren, wenn sie entweder über ein frei verfügbares Vermögen in Form von Bankguthaben oder Finanzinstrumente von mindestens 100 000 Euro verfügen oder maximal das Zweifache ihres durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommens investieren. Obergrenze für die Einzelanlage pro Investor sind 10 000 Euro.
Leider keine Erleichterungen gibt es für Kreditinstitute und Emittenten, die bereits Wertpapiere an einem regulierten Markt gelistet haben. Diese dürfen nach dem neu gefassten WpPG weiterhin nur bis zu einem maximalen Betrag von fünf Millionen Euro pro Jahr prospektfrei Wertpapiere emittieren. Hier wäre es wünschenswert gewesen, auch für diese Emittenten die Schwelle auf acht Millionen Euro anzuheben, was nach der neuen Prospektverordnung ohne Weiteres möglich gewesen wäre. Für betroffene Unternehmen führt dies zu einer etwas unübersichtlichen Situation: Unterhalb der Schwelle von fünf Millionen Euro benötigen sie keinen Prospekt. Für Emissionen zwischen fünf und acht Millionen Euro muss ein WIB erstellt werden, und über acht Millionen Euro ist schließlich ein herkömmlicher, umfangreicher Wertpapierprospekt erforderlich. Leichte Anpassungen gibt es hinsichtlich der Prospekthaftung für das WIB. Da dieses aufgrund der gesetzlichen Vorgaben auf maximal drei DIN-A4-Seiten beschränkt ist, haftet der Emittent nur für unrichtige oder irreführende Angaben, nicht aber für ein unvollständiges WIB. Dabei handelt es sich allerdings nur scheinbar um eine Haftungserleichterung, denn in der Praxis dürften sich hier rechtliche Probleme ergeben, wenn beispielsweise zu klären ist, ob ein unvollständiges WIB nicht auch zu einer Irreführung beim Anleger führt, wofür der Emittent dann doch wieder haften würde.
Letztlich bleiben die gesetzlichen Neuregelungen in Deutschland hinter dem Möglichen zurück. Zum einen wäre es hilfreich gewesen, für Wertpapieremissionen unter einer Million Euro überhaupt keine Dokumentation zu verlangen. Zum anderen stellen die für Privatanleger vorgesehenen Höchstanlageschwellen unnötige und bürokratische Beschränkungen dar, die nicht dazu beitragen, dass Privatanleger verstärkt an der Börse investieren und kleinen und mittleren Unternehmen die Mittelbeschaffung am Kapitalmarkt erleichtert wird.
Jörg Baumgartner
Baumgartner hat sich auf die kapitalmarkt- und gesellschaftsrechtliche Beratung von in- und ausländischen Emittenten, börsennotierten Unternehmen sowie emissionsbegleitenden Banken bei Kapitalmarkttransaktionen spezialisiert. Zudem berät er zu Themen der kapitalmarktrechtlichen Compliance. CMS ist in Deutschland eine der führenden Anwaltssozietäten auf dem Gebiet des Wirtschaftsrechts.