Auch die US-Märkte, die am Donnerstag im späteren Handel bereits eine eindrucksvolle Aufholjagd begonnen hatten, zeigten sich vorbörslich freundlich. Spekulationen auf ein baldiges Ende der Kämpfe halfen den Börsen nach oben. Einem Agenturbericht zufolge ist Russland zu Gesprächen mit der Ukraine bereit.

Auch der Verzicht auf Sanktionen gegen russische Öl- und Gaslieferungen und den Ausschluss des Landes aus dem Zahlungsnetzwerk Swift sorgte aus Investorensicht für Erleichterung, sagte Neil Wilson, Chef-Analyst des Online-Brokers Markets.com. Die Börsianer rechneten mit vergleichsweise geringen Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. Auch Zinsspekulationen spielten eine Rolle. "Die Furcht vor andauernden geopolitischen Spannungen nährt die Hoffnungen, dass der US-Währungshüter möglicherweise eine Zinswende in letzter Minute doch noch vertagt", sagte Analyst Timo Emden von Emden Research. Auch die Europäische Zentralbank dürfte ihre Zinsfantasien womöglich vorerst hintanstellen.

TEILWEISE ENTSPANNUNG BEI ROHSTOFFEN - PREISE BLEIBEN HOCH


Der Moskauer Leitindex RTS verbuchte einen Rekord-Kurssprung von zeitweise 30 Prozent und machte damit seine jüngsten Verluste größtenteils wieder wett. Eine Unterbrechung der Versorgung Europas mit russischem Öl und Gas sei derzeit wenig wahrscheinlich, sagte Brian Horrigan, Chef-Volkswirt des Vermögensverwalters Loomis Sayles. "Vollständig ausgeschlossen ist das aber nicht." Der russische Präsident Wladimir Putin könnte den Hahn als Vergeltung oder bei einem für ihn ungünstigem Kriegsverlauf jederzeit zudrehen.

Der europäische Erdgas-Future fiel zwar um 30Prozent auf 95 Euro je Megawattstunde, notierte damit aber immer noch gut 15 Prozent über dem Niveau vor Beginn der russischen Invasion. Die Rohöl-Sorte Brent aus der Nordsee notierte rund drei Dollar unter der Marke von 100 Dollar je Barrel (159 Liter), die sie am Donnerstag erstmals seit siebeneinhalb Jahren übersprungen hatte.

Bei anderen Rohstoffen, zu deren wichtigsten Exporteuren Russland ebenfalls gehört, machten einige Investoren Kasse. Die Industriemetalle Aluminium und Zinn gaben um bis zu zwei Prozent nach. Der europäische Weizen-FutureBL2c1 verbilligte sich um mehr als 3,5 Prozent, blieb mit 305 Euro je Tonne aber auf Tuchfühlung mit seinem jüngsten Rekordhoch.

RÜSTUNGSWERTE GEFRAGT - BASF ENTTÄUSCHEN


Von ihren starken Verlusten erholen konnten sich auch Finanzwerte. Der europäische Sektorindex stieg um mehr als vier Prozent. Deutsche Bank zogen um sechs Prozent an. Rüstungswerte legten sich die Investoren weiterhin ins Depot. Die Invasion könnte zu höheren Verteidigungsausgaben führen, schrieb Analyst David Perry von JPMorgan Cazenove. Die Aktien von Rheinmetall, Thales und BAA Systems stiegen um bis zu 5,6 Prozent und markierten jeweils ein Zwei Jahres-Hoch.

Starke Geschäftszahlen ermunterten Anleger zum Einstieg bei St. Gobain und Holcim. Die Aktien der beiden Bauindustrie-Zulieferer zogen um 7,1 und 1,9 Prozent an.

Die Titel des Chemieriesen BASF gaben dagegen wegen enttäuschender Geschäftszahlen rund zwei Prozent nach. Der operative Quartalsgewinn sei hinter den Erwartungen zurückgeblieben, moniert Analyst Chris Counihan von der Investmentbank Jefferies. Gleiches gelte für das Gewinnziel für 2022.

rtr