Gleichzeitig ergriff May inmitten des parteiinternen Schlagabtauschs um ihren Brexit-Kurs die Initiative und kündigte für Mittwoch ein Treffen mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Brüssel an. Davon sei aber kein Durchbruch zu erwarten, sagte ihr Sprecher. Das Treffen sei vielmehr Teil des Verhandlungsprozesses. Für Donnerstag ist ein Gespräch Mays mit dem österreichischen Bundeskanzler und EU-Ratsvorsitzenden Sebastian Kurz angesetzt.
Am Sonntag kommen die restlichen 27 EU-Staats- und Regierungschefs zu einem Sondergipfel zusammen, um den Ausstiegsvertrag abzusegnen. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte in Berlin, sie hoffe, dass das Abkommen am Sonntag unterschrieben werde.
May kämpft seit Ende voriger Woche um ihr politisches Überleben. Das von ihr ausgehandelte Abkommen, das das Ende der 45-jährigen EU-Mitgliedschaft im März 2019 regeln soll, fand zwar die Zustimmung ihres Kabinetts. Doch traten danach aus Protest reihenweise Minister zurück. Gleichzeitig sammeln sich Gegner ihres Brexit-Kurses bei den Tories, um sie zu stürzen. Die dafür notwendigen 48 Abgeordneten aus dem Unterhaus sind aber bislang nicht zusammengekommen. May trotzt dem innenpolitischen Sturm bislang. Ihr Hauptargument ist, dass es ohne sie vielleicht einen chaotischen EU-Austritt der fünftgrößten Volkswirtschaft der Welt oder eventuell sogar gar keinen Brexit geben wird.
DUP VERLANGT NACHVERHANDLUNGEN WEGEN NORDIRLAND
Größter Stolperstein für Mays Brexit-Plan ist die notwendige Zustimmung im britischen Parlament, wo ihre konservative Partei keine eigene Mehrheit hat. Das Votum findet im Dezember statt, ist aber noch nicht genau terminiert. Danach muss auch das EU-Parlament grünes Licht geben.
Die nordirische DUP, die bislang May zu einer Mehrheit im Unterhaus verholfen hat, verweigert die Unterstützung bei der Abstimmung über das Brexit-Abkommen. Der Abgeordnete Sammy Wilson sagte zur Begründung, Nordirland würde auf Grundlage des Abkommens auf lange Sicht vom Vereinigten Königreich abgespalten. Der stellvertretende Parteichef Nigel Dodds forderte von May deshalb erneut Nachverhandlungen und warnte: "Die Regierung braucht die Unterstützung der DUP, um ihre innenpolitische Agenda durchzubringen." Schon am Montag hatte die DUP der Regierung bei Abstimmungen über ein Finanzgesetz im Unterhaus die Gefolgschaft verweigert. Der irische Außenminister Simon Coveney erklärte, der Text für das Abkommen stehe und werde nicht mehr geändert. In dem Gespräch Mays mit Juncker gehe es um die Beziehungen nach dem Brexit.
Größter Streitpunkt in den Brexit-Verhandlungen war und ist die Frage der irischen Grenze. Die EU und Irland wollen eine neue Grenze zu dem lange Zeit von politischer Gewalt erschütterten Nordirland auf keinen Fall zulassen. Dazu soll es eine umstrittene Notfallklausel (Backstop) geben, die greift, wenn andere Lösungen versagen. Darüber soll Mitte 2020 entschieden werden. Entscheidend ist dabei der noch ausstehende neue Handelsvertrag zwischen der EU und Großbritannien.
NOTENBANK STELLT SICH HINTER MAY
Neuen Ärger für May gibt es auch aus Spanien. Ministerpräsident Pedro Sanchez will gegen den Vertragsentwurf stimmen, falls es keine Änderungen am Umgang mit der britischen Halbinsel Gibraltar in Südspanien geben sollte. Spanien erhebt seit langem Ansprüche auf Gibraltar und will nun, dass die Verhandlungen über die Beziehungen nach dem Brexit mit Großbritannien nicht von der EU, sondern von Spanien geführt werden.
Unterstützung für ihren Vertragsentwurf erhielt May von der britischen Notenbank. Ein Abkommen mit einer Übergangslösung würde der Wirtschaft helfen und den EU-Austritt erleichtern, sagte Zentralbankchef Mark Carney vor einem Parlamentsausschuss. Die Notenbank habe von Anfang an die Bedeutung einer solchen Übergangsvereinbarung betont. Im Kabinett von May und in Teilen des Parlaments gilt jedoch genau diese Übergangszeit als Stein des Anstoßes. Die Gegner stören sich vor allem an Regelungen zur künftigen EU-Außengrenze in Nordirland, da sie die Preisgabe von Souveränitätsrechten wittern.
rtr