Brexit: Der lange Weg der Briten zum Freihandel mit der EU
· Börse Online RedaktionSchon vorigen Sommer haben eine Reihe von Brexit-Befürwortern wie der mittlerweile zum britischen Außenminister aufgestiegene Boris Johnson das Freihandelsabkommen mit Kanada als Blaupause für eine Vereinbarung zwischen EU und Vereinigtem Königreich bezeichnet. Der inzwischen unterzeichnete Ceta-Vertrag mit Kanada wird von der EU-Kommission als das bisher beste Freihandelsabkommen angesehen, das die Europäische Union ausverhandelt hat.
Der Weg dorthin war allerdings lang: Auch mehr als sieben Jahre nach Beginn der Verhandlungen ist Ceta noch immer nicht in Kraft. Nach der noch ausstehenden Zustimmung des EU-Parlaments sollen zumindest Teile davon noch im Laufe diesen Jahres vorläufig gelten. Die nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten sollen das Abkommen danach ratifizieren und damit in einigen Jahren endgültig in Kraft setzen. Würde ein Land Nein sagen, wäre der Pakt gestorben. Im Oktober gab es einen wochenlangen Streit, da sich die belgische Region Wallonien gegen die Vereinbarung gesperrt hatte. Gegner kritisierten zudem die geplanten Schiedsgerichte, die Streitigkeiten zwischen Unternehmen und Staaten klären sollen.
Bei Ceta geht es vor allem um den Abbau von Einfuhrzöllen. May deutete in ihrer Rede am Dienstag an, dass auch andere Bereiche - wie etwa der Dienstleistungssektor - von einem Abkommen Großbritanniens mit der EU erfasst werden sollen. Damit dürften die Verhandlungen wesentlich komplexer werden als bei Ceta.
Noch umstrittener als Ceta waren in den vergangenen dreieinhalb Jahren die Verhandlungen über das Handelsabkommen der EU mit den USA (TTIP). Ob das Abkommen nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten noch eine Chance hat, ist offen. Die Spitze der EU-Kommission hat bereits Zweifel daran geäußert. Trump hatte zuletzt mit der Androhung von Strafzöllen für deutsche Autobauer für Aufregung gesorgt. Umweltschützer und Nicht-Regierungsorganisationen laufen Sturm gegen TTIP, weil sie den Einfluss von US-Konzernen auf Gesetzgebung und Umweltstandards in Europa fürchten.
Beim Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) steht zudem noch eine Entscheidung zum Abkommen mit Singapur aus, das Signalwirkung auch für die Brexit-Verhandlungen haben könnte: Die Luxemburger Richter entscheiden voraussichtlich in einigen Monaten, ob ein EU-Freihandelsabkommen nur vom EU-Parlament oder von den Parlamenten aller Mitgliedsländer verabschiedet werden muss.
Die EU strebt zudem Freihandelsabkommen mit Ländern wie Neuseeland oder Australien an. Die 2012 aufgenommenen Verhandlungen mit Japan könnten bald abgeschlossen sein, die Gespräche mit Indonesien und den Philippinen laufen noch. Mit manchen Staaten wie Mexiko will die EU eine Erweiterung bestehender Verträge erreichen.
rtr