Es sei allerdings noch zu früh, um eine verlässliche Aussage darüber zu treffen, was das für die Preisentwicklung bedeute. Darüber werde sicherlich auf den nächsten Sitzungen des EZB-Rats diskutiert.
Die Zinsen seien schon jetzt sehr niedrig, die Finanzierungsbedingungen kein wirkliches Investitionshemmnis, sagte Weidmann. "Und klar ist auch: Die Wirkung der ultralockeren Geldpolitik nimmt mit der Zeit ab, und die Risiken und Nebenwirkungen nehmen zu." Allerdings sei die Unsicherheit derzeit ausgeprägt, und es müssten die nächsten Konjunkturindikatoren abgewartet werden, um die Konsequenzen des Brexit-Votums besser abschätzen zu können. Die Europäische Zentralbank (EZB) entscheidet im September das nächste Mal über den Leitzins für die Euro-Zone.
In Großbritannien steuert die Wirtschaft nach dem Votum für ein Ausscheiden aus der Europäischen Union dagegen auf den stärksten Konjunktureinbruch seit sieben Jahren zu. Experten rechnen daher damit, dass die britische Notenbank diesen Donnerstag ihren Leitzins senkt, um das Wachstum zu stützen.
VORSICHT BEI ÄNDERUNG DER EZB-ANLEIHENKÄUFE
In dem Interview plädierte Weidmann zudem dafür, bei möglichen Änderungen am großen Staatsanleihen-Kaufprogramm der EZB - im Fachjargon "QE" genannt - das grundsätzliche Design der Käufe beizubehalten. Es gebe Anpassungsmöglichkeiten. "Wir müssen aus meiner Sicht aber sehr vorsichtig bei der Ausgestaltung sein", sagte Weidmann, der das Programm generell kritisch sieht. Die Länderquoten nach Kapitalanteilen an der EZB seien beispielsweise sinnvoll und zielten auf die Einheitlichkeit der Geldpolitik ab. "Verstärkt Anleihen von Ländern mit besonders hoher Verschuldung oder schlechterer Bonität zu kaufen, würde uns vom Kern unseres Mandats weiter entfernen."
Bislang orientiert sich die EZB bei den Anleihenkäufen von 80 Milliarden Euro monatlich an ihrem Kapitalschlüssel. Das heißt, dass mehr Anleihen jener Länder aufgekauft werden, die der Notenbank mehr Eigenkapital zur Verfügung stellen. Dadurch entfällt ein großer Anteil der Käufe auf Bundesanleihen. Die EZB musste allerdings zuletzt immer mehr deutsche Schuldtitel für ihr Kaufprogramm wegen zu niedriger Zinsen ausschließen. Das Brexit-Votum hatte diesen Renditerückgang noch beschleunigt. Nach Einschätzung von Analysten drohen am Markt deshalb Bundesanleihen allmählich knapp zu werden.
rtr