Die Kommission stellt am Mittwoch ihre wirtschaftlichen Empfehlungen für die Mitgliedsländer vor. Wegen ihrer Defizite stehen derzeit Spanien und Portugal besonders im Fokus. Die Brüsseler Behörde erwägt Insidern zufolge eine symbolische Strafe gegen die beiden Länder wegen Verletzung der europäischen Haushaltsregeln. Mit einem solchen Vorgehen würde die Kommission den politischen Druck auf diese Staaten erhöhen. Seit der Einführung des Euro wurden noch nie Sanktionen gegen ein Land wegen Verstößen gegen die Stabilitätsregeln verhängt.
Das "Handelsblatt" berichtete unter Berufung auf EU-Kreise, in der Brüsseler Behörde sei ein solches Vorgehen hoch umstritten. Auch bei der Verhängung von symbolischen Sanktionen wäre die Brüsseler Behörde demnach gezwungen, einen Teil der Zahlungsverpflichtungen aus den EU-Strukturfonds für 2017 zu sperren. Während die beiden zuständigen Fachkommissare Valdis Dombrovskis und Pierre Moscovici für Strafen seien, wolle EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker den beiden Südländern noch eine letzte Chance geben. Nach Junckers Meinung greife die Kommission mit einer Defizitstrafe in unangemessener Weise in den spanischen Wahlkampf ein. In dem iberischen Land stehen am 26. Juni Neuwahlen an.
SPANIEN REISST DEFIZITLATTE WOHL AUCH 2017
Die EU-Kommission geht in ihrer Frühjahrsprognose davon aus, dass die Regierung in Madrid die von der EU aufgelegte Latte für das Haushaltsdefizit dieses Jahr mit 3,9 Prozent der Wirtschaftsleistung klar reißen wird. Bereits voriges Jahr lag die Lücke bei 5,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Auch 2017 werde das Minus mit 3,1 Prozent den von der EU erlaubten Wert von 3,0 Prozent knapp überschreiten.
Auch das Nachbarland Portugal ist ins Visier der Brüsseler Haushaltskontrolleure geraten: Die linke Regierung hat eine Abkehr vom Spar- und Reformkurs vorgenommen, was die EU-Kommission kritisiert. Dem Land droht wegen verfehlter Defizitziele im vorigen Jahr eine Geldstrafe. Finanzminister Mario Centeno äußerte sich zuversichtlich, dass er mögliche EU-Strafen abwenden könne: "Ich tue, was ich kann, um das zu verhindern", sagte er dem "Handelsblatt". Die Einnahmen entwickelten sich besser als prognostiziert. Gleichzeitig gebe der Staat weniger aus: "Mit diesen Zahlen werden wir die EU-Kommission, mit der wir gut zusammenarbeiten, hoffentlich überzeugen können."
Bundesbankchef Weidmann pocht allerdings darauf, dass der Umgang Brüssels mit den Defizitsündern transparenter wird. Im Moment seien die Verfahren so komplex und intransparent, dass niemand ohne weiteres sagen könne, ob sich ein Land an die Regeln halte oder nicht: "Fakt ist, dass in Europa insgesamt der Reformeifer und die Haushaltsdisziplin zuletzt nachgelassen haben." So sei bei der mittelfristigen Haushaltspolitik Italien für Europa kein Vorbild", sagte Weidmann in dem "Welt"-Interview, das in Kooperation mit der italienischen Zeitung "La Repubblica" und dem spanischen Blatt "El Pais" geführt wurde.
Reuters