Abwicklungshäuser wie die Deutsche-Börse-Sparte Eurex Clearing und die LSE-Tochter LCH.Clearnet springen ein, wenn am billionenschweren Derivatemarkt ein Handelspartner ausfällt. Durch diesen Mechanismus soll die Sicherheit des Finanzsystems erhöht werden. Wenn nach der Fusion mehrere Clearinghäuser von einem Anbieter betrieben werden, kann dies nach Ansicht von Dombret aber "zu einer Zunahme der systemischen Relevanz des fusionierten Unternehmens und zu einer gegenseitigen Abhängigkeit der Clearinghäuser führen. Außerdem können neue Ansteckungskanäle entstehen."
Banken und Investoren müssen im Derivatehandel Sicherheiten hinterlegen, auf die das Abwicklungshaus im Notfall zurückgreifen kann. Deutsche Börse und LSE wollen zwar ihre Clearing-Sparten bei einer Fusion nicht zusammenlegen. Die Banken sollen aber gegenläufige Positionen, die sie bei Eurex Clearing und LCH.Clearnet haben, gegeneinander aufrechnen können. Sie müssten dann nur ihre offenen Positionen absichern - und bräuchten unter dem Strich vermutlich weniger Sicherheiten. "Die Finanzaufsicht wird sehr genau darauf achten, was mit den freiwerdenden Sicherheiten passiert", sagte Dombret. "Wenn die Banken und andere Marktteilnehmer damit neue Risiken eingehen, würde der Verschuldungsgrad im Finanzsystem weiter steigen."
Deutschlands größter Börsenbetreiber hält solche Sorgen für unbegründet. "Wir haben ausgeklügelte Risiko-Management-Systeme, die berechnen, wie viel Sicherheiten unsere Kunden hinterlegen müssen", sagte Deutsche-Börse-Vorstand Jeffrey Tessler im April im Reuters-Interview. "Wenn wir diese Systeme mit den Daten von Eurex Clearing und LCH.Clearnet füttern könnten, würde das die Sicherheit des Finanzsystems erhöhen." Zudem könnten Geldhäuser mehr Kredite vergeben und das Wachstum in Europa ankurbeln, wenn sie im Handel weniger Sicherheiten bräuchten. "Ein Übermaß an Sicherheiten vorzuhalten ist nicht zuträglich für die Wirtschaft", argumentiert Tessler. "Banken brauchen das richtige Maß an Sicherheiten für die Risiken, die sie auf Nettobasis eingehen."
DOMBRET: BÖRSEN-FUSION WÄRE GUT FÜR BANKEN
Die Bundesbank muss die Fusion von Deutscher Börse und LSE nicht genehmigen, ihre Meinung wird bei der Entscheidung anderer Behörden über den Deal aber durchaus gehört. Dombret hatte bereits im Juli erklärt, der Zusammenschluss mache nach der Brexit-Entscheidung wirtschaftlich noch mehr Sinn als zuvor. "Eine fusionierte Börse kann nach einem Austritt Großbritanniens aus der EU die Zusammenarbeit der Finanzsysteme diesseits und jenseits des Kanals fördern", betonte er nun. Außerdem könne die Verschmelzung helfen, ein Auseinanderdriften des europäischen Finanzmarktes zu verhindern. "Darüber hinaus wäre eine Effizienzsteigerung durch die Fusion gut für alle Teilnehmer am Finanzmarkt - Banken inklusive." Durch die Fusion könne es zu einer höheren Liquidität an den Börsen kommen, Marktteilnehmer bekämen leichteren Zugang zu einer größeren Bandbreite von Finanzprodukten.
Die Aktionäre beider Unternehmen haben der Fusion bereits zugestimmt. Die größten verbliebenen Hürden sind die Zustimmungen der EU-Kommission und der hessischen Börsenaufsicht. Deutsche Politiker und die Finanzaufsicht BaFin fordern, dass die fusionierte Börse nach dem Brexit-Votum nicht wie geplant in London angesiedelt werden kann. Die Deutsche Börse spricht deshalb Insidern zufolge mit der LSE über eine Verlagerung des Firmensitzes in die EU beziehungsweise über die Schaffung eines doppelten Firmensitzes für die Holding. "Bei der Debatte über den Standort der fusionierten Börse muss eine Antwort gefunden werden, die alle vernünftigen Interessen berücksichtigt", forderte Dombret.
rtr