Die Fraktionen der Opposition aus Grünen, FDP, Linkspartei und AfD stimmten gegen die Vorlage. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn warb in einer teils kontroversen Debatte für die sogenannte Bundesnotbremse. Die Regelungen seien "angemessen, verhältnismäßig und im übrigen auch geeignet", um die dritte Welle der Pandemie zu brechen.
Ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 in einem Landkreis tritt damit automatisch eine Ausgangssperre in Kraft. Der Entwurf der Bundesregierung wurde im Verlauf der parlamentarischen Beratungen in diesem Punkt allerdings geändert. So greift die Ausgangssperre erst ab 22.00 Uhr, die Bundesregierung wollte dies schon ab 21.00 Uhr durchsetzen. Zudem dürfen einzelne Personen von 22.00 Uhr bis 24.00 Uhr ihr Zuhause verlassen, etwa um spazieren zu gehen oder zu joggen. Ab Mitternacht gilt die Ausgangssperre bis 05.00 Uhr. Schulen und Kitas sollten nach der Vorlage der Regierung erst ab einer Inzidenz von 200 geschlossen werden. Dieser Schwellenwert wurde nun auf 165 gesenkt. Zudem sollen Arbeitgeber zwei Schnelltests pro Woche anbieten. Die Änderungen gelten bis zum 30. Juni. Am Donnerstag will sich der Bundesrat mit dem Gesetz befassen.
Spahn betonte: "Die Bundesnotbremse ist das Ergebnis eines demokratischen Prozesses." Auch Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus warb eindringlich um Zustimmung für das Gesetz. "Schützen Sie Leben, stimmen Sie zu", rief der CDU-Politiker dem Plenum zu. "Stimmen Sie für das Leben." Es sei nicht nur die Pflicht der Abgeordneten des Bundestages, die Freiheitsrechte zu verteidigen. Es sei auch Aufgabe, Leben und Gesundheit zu schützen. Es müsse jetzt noch einmal gehandelt werden. "Wir sind in einer Situation, in der zu viele Menschen sterben."
Für die SPD verteidigte Vize-Kanzler Olaf Scholz die Gesetzesänderung, die nötig sei, um die Infektionszahlen zu drücken. Er wies darauf hin, dass bereits über 16 Millionen Personen in Deutschland geimpft seien. Zudem verwies er auf die kommende Debatte, inwieweit es "bestimmte Erleichterungen" für Personen geben solle, die geimpft oder genesen seien oder einen negativen Corona-Test vorwiesen. "Diese Erleichterungsmöglichkeit gehört zu dem strengen Gesetz dazu."
"BRAUCHEN EINEN SCHNELL WIRKSAMEN WELLENBRECHER"
Die Opposition aus Linkspartei, Grünen, FDP und AfD kündigten mit unterschiedlichen Begründungen an, gegen das Gesetz zu stimmen. Den Grünen ging die Vorlage nicht weit genug, wie die gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion, Maria Klein-Schmeink, erklärte. "Wir brauchen einen schnell wirksamen Wellenbrecher, und der ist zwingend erforderlich." Linken-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali kritisierte einen erneuten "Murks" der Koalition und forderte mehr Maßnahmen zur Abfederung der sozialen Folgen der Pandemie.
Für die FDP bekräftigte die gesundheitspolitische Sprecherin Christine Aschenberg-Dugnus, Ausgangssperren seien keine geeignete Maßnahme. "Allein darauf zu hoffen, dass es etwas bringt, reicht nicht aus, um einen so schwerwiegenden Grundrechteeingriff zu rechtfertigen", sagte sie. "Im Ergebnis werden wir das Gesetz ablehnen." Zudem kündigte sie an, die FDP werde eine Verfassungsbeschwerde prüfen.
Auch AfD-Fraktionschef Alexander Gauland bekräftigte den Widerstand seiner Partei. Die Regierung bekämpfe die Pandemie mit "untauglichen Mitteln", sagte er. "Sie stecken in ihren Schützengräben fest." Bei der entscheidenden Abstimmung votierten 342 Abgeordnete für die Vorlage, 250 Parlamentarier stimmten dagegen, 64 enthielten sich.
In der Umgebung des Reichstagsgebäudes kam es während der Debatte des Bundestags zu Demonstrationen der "Querdenker"-Bewegung. Dabei löste die Berliner Polizei nach eigenen Angaben eine Versammlung auf, da der Mindestabstand nicht eingehalten und Masken nicht getragen wurden.
Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete am Mittwoch binnen 24 Stunden 24.884 Neuinfektionen und damit 3191 mehr als am vergangenen Mittwoch. Die Sieben-Tage-Inzidenz fiel leicht auf 160,1 von 162,4 am Vortag. 331 weitere Menschen starben in Verbindung mit dem Virus. Damit erhöhte sich die Zahl der Todesfälle auf 80.634. Insgesamt wurden bislang mehr als 3,18 Millionen Menschen in Deutschland positiv auf das Coronavirus getestet.
rtr