Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel stimmt mittlerweile in den Chor ein. Vor allem aber in der Union melden sich Abgeordnete wie Wolfgang Bosbach, die vorsorglich schon ihr "Nein" zu jeder möglichen Entscheidung über die Auszahlung weiterer Hilfsmilliarden anmelden. Die Stimmung ist so schlecht, dass eine Boulevardzeitung sogar schon spekulierte, Bundeskanzlerin Angela Merkel müsse eine Abstimmung mit der Vertrauensfrage verbinden. Auch das aktuelle ZDF-Politbarometer zeigt, dass die Mehrheit der Deutschen keine weiteren Zugeständnisse an Athen möchte.

Bei der Verlängerung des zweiten Rettungspakets für Griechenland hatten am 27. Februar bereits 29 Unions-Abgeordnete mit Nein gestimmt und eine rekordverdächtige Zahl von mehr als 100 CDU/CSU-Parlamentarier eine persönliche Erklärung abgegeben. Dennoch sind sich Bundesregierung und Unionsführung trotz aller Verärgerung über die griechische Verhandlungstaktik nach wie vor sicher, dass der Bundestag nicht die entscheidende Hürde für weitere Hilfen sein wird.

Auf Seite 2: ERST DIE TROIKA, DANN DER BUNDESTAG





ERST DIE TROIKA, DANN DER BUNDESTAG



Entscheidend für den Optimismus der Regierung ist vor allem, dass der Bundestag erst wieder ins Spiel kommt, wenn zuvor die Institutionen aus EZB, IWF und EU-Kommission ihre Zustimmung zu weiteren Finanzhilfen für Griechenland gegeben haben. Dann müssten das auch die 19 Euro-Finanzminister abnicken. "Ich glaube nicht, dass die allermeisten Abgeordneten sich dann gegen das Votum der Experten stellen", hatte der Finanzexperte und parlamentarische Staatsekretär im Verkehrsministerium, Norbert Barthle, schon vor Tagen vorausgesagt. Auch er fügte seiner Zustimmung im Februar eine Erklärung bei, in der er seine künftige Ja-Stimme an Reformzusagen aus Athen knüpfte. Selbst Abweichler Bosbach erklärte am Sonntagabend bei "Günther Jauch", dass er mit einer Mehrheit in der Fraktion rechne.

Kanzlerin Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble haben der Fraktion zudem versprochen, dass sie im Bundestag nur eine Vorlage zur Abstimmung stellen würden, von der sie überzeugt seien. Deshalb gelten etwa ein von Athen geforderter Schuldenschnitt - der Verzicht auf die Rückzahlung bisheriger Kredite - oder der Ausstieg des IWF aus dem Hilfsprogramm als ausgeschlossen. Das betonte auch Unions-Fraktionschef Volker Kauder am Montag.

Auf Seite 3: GROSSE MEHRHEIT - IN REGIERUNG UND OPPOSITION





GROSSE MEHRHEIT - IN REGIERUNG UND OPPOSITION



Anders als in der vergangenen Legislaturperiode mit einer schwarz-gelben Regierung und ihrer knappen Mehrheit sind Abstimmungen über Finanzhilfen für Griechenland zudem jetzt kein Überlebenskampf der Bundesregierung mehr. Die Mehrheit von Union und SPD ist so groß, dass man in der CDU-Spitze auch die 29 Abweichler vom Februar leicht verschmerzen konnte. Kauder hatte zwar schon im vergangenen Jahr gewarnt, dass bei großen Mehrheiten die Disziplin schwinde. Aber Abweichler - auch 50 oder 60 - lassen sich in einer CDU/CSU-Fraktion mit 311 Abgeordneten leichter verkraften.

Hinzu kommt, dass die anderen Fraktionen im Bundestag mit großer Wahrscheinlichkeit und trotz aller Verärgerung in übergroßer Mehrheit ebenfalls für ein Hilfspaket stimmen dürften. Zwar ist das Vorgehen der griechischen Regierung auch in der SPD umstritten, wie Gabriels harsche Warnung an Athen zeigt. Aber bei der Verlängerung des Programms im Februar gab es keine einzige Nein-Stimme der Sozialdemokraten. Bei den Grünen war es genauso. Und weil in Griechenland heute eine Linksaußen-Rechtsaußen-Koalition an der Macht ist, hat sogar die Linkspartei ihren Widerstand gegen Euro-Hilfepakete abgelegt.

Und Merkel hat einen weiteren Trumpf in der Tasche: der Hinweis an die Abgeordneten, dass die Griechenland-Rettung auf keinen Fall an Deutschland scheitern darf. Denn die Syriza-Regierung in Athen versucht nach Meinung vieler in der Regierung ohnehin, vor allem Deutschland und Merkel die Schuld für die Misere in ihrem Land zuzuschieben - das soll vermieden werden. Und am Ende dürfte die Kanzlerin auch die europapolitische Keule schwingen. "Sie wird die Abgeordneten an das große Ganze erinnern - den nötigen Zusammenhalt Europas", heißt es in der Regierung.

Reuters