Einen unmittelbaren Auslöser für den aktuellen Ausverkauf an den Aktienmärkten zu finden, fällt uns schwer. In den USA ist der Stimmungsumschwung der vergangenen Tage auf verschiedene Faktoren zurückzuführen. Der wichtigste Grund ist wohl darin zu sehen, dass viele Anleger stärkere Zinserhöhungen der US-Notenbank befürchten, die zwangsläufig zu einem Abwürgen der bislang noch sehr gut laufenden US-Wirtschaft führen würde. Aus unserer Sicht gibt es jedoch wenig konkrete Hinweise, die für ein aggressiveres Vorgehen der Notenbank sprechen. Die Befürchtung, dass die US-Wirtschaft kurz vor einer nachhaltigen Überhitzung steht, ist wenig stichhaltig. Von daher könnten sich die Zinssorgen bald schon wieder verflüchtigen.



Steigende Zinsen sind aber nur ein Belastungsfaktor, dem sich die Aktienmärkte im Moment ausgesetzt sehen. Im Vorfeld der nun beginnenden Berichtssaison für das dritte Quartal ließen Nachrichten aufhorchen, dass mehr Unternehmen als üblich vor einer schwächeren Gewinnentwicklung warnen. Die wenigen Unternehmen, die schon ihre Zahlen für das dritte Quartal vorgelegt haben, lassen allerdings nicht erkennen, dass sich an dem positiven Trend der vergangenen Quartale etwas geändert hat.

Doch trotz der positiven Zahlen, die darauf hindeuten, dass sich das Gewinnwachstum im Vergleich zum Vorjahr auf gut 20 Prozent belaufen dürfte, haben nur 12 Prozent der Aktienkurse dieser Unternehmen positiv reagiert. Dies ist ein historischer und vom Ausmaß her außergewöhnlicher Negativrekord! Auch dies spricht dafür, dass die US-Aktienmärkte über ein deutliches Aufholpotenzial verfügen, sofern auch die nächsten Berichte mehrheitlich positiv ausfallen und vor allem die Ausblicke nicht enttäuschen.


Die weitere Gewinnentwicklung wird dabei entscheidend von den makroökonomischen Rahmenbedingungen bestimmt werden. Der IWF hat die globale Wachstumsprognose für dieses und nächstes Jahr von 3,9 auf 3,7 Prozent leicht nach unten revidiert. Damit würde das Wachstum solide bleiben. Trotz bestehender Unsicherheiten gehen wir davon aus, dass sich der Aufschwung in den USA fortsetzen wird. In Europa sind dagegen die konjunkturellen Risiken größer als in den USA.

Dies liegt an der stärkeren Exportabhängigkeit, aber auch an den Unsicherheiten die vom bevorstehenden Brexit ausgehen. Zudem drücken die eigenwilligen Budgetpläne der italienischen Regierung sowie die Verwerfungen in der Automobilindustrie, die mit der Umstellung auf den neuen Abgastest WLTP zu tun haben, auf die Stimmung. Für den Anleger bedeutet dies, dass man sich temporär defensiver positionieren und die Aktienquote zugunsten von Kasse reduzieren sollte. Unsere Modelle, die wir zur Steuerung der Asset Allocation verwenden, signalisieren jedoch nicht, dass eine zu starke Vorsicht angebracht ist. Für ein allgemeines "Game over" an den Aktienmärkten ist es also hoffentlich zu früh.