Um kaum ein anderes Thema ranken sich derzeit mehr Geschichten, Mythen, unglaubliche Zukunftsvisionen und furchterregende Untergangsszenarien wie um Bitcoin, Ethereum & Co. Dabei stehen sich inhaltlich zwei polarisierende Lager gegenüber.
Auf der einen Seite sind die Enthusiasten, die von der Entstehung einer neuen, auf Basis der Blockchain basierenden Weltwirtschaftsordnung überzeugt sind. Der Bitcoin ist für sie der einzig wahre "Store-of-Value", der effektivste digitale Wertspeicher in einer Welt explodierender Staatsschulden und Geldmengen sowie anhaltend ultraexpansiver Geldpolitik vieler Notenbanken. Sogenanntes Fiat-Money wie Euro und US-Dollar haben in ihren Augen im Gegensatz zum Bitcoin den Nachteil, dass sie seit Jahren von einer zentralen und politisch immer weniger unabhängigen Instanz beliebig vervielfältigt werden und daher eine überbordende Inflation und ein totaler Vertrauensverlust unausweichlich erscheinen.
Andere Krypto-Assets hingegen, wie etwa Ethereum oder auf dieser Blockchain aufgebaute dezentrale Anwendungen, werden als eine Art Start-up mit profitablem Geschäftsmodell angesehen, um die Übermacht der heutigen, oftmals monopolitisch wirkenden Internetgiganten oder auch der Finanzbranche disruptiv zu brechen. Das Internet könne durch dezentrale Anwendungen demokratisiert werden, vielen bisher kaum am Finanzwesen und Wirtschaftsleben teilnehmenden Menschen weltweit könne der fehlende Zugang ermöglicht werden, so die Enthusiasten.
Auf der anderen Seite stehen die Skeptiker, teilweise sogar überzeugten Gegner der neu aufkommenden Krypto-Welt. In ihren Augen handelt es sich um eine Blase riesigen Ausmaßes, die über kurz oder lang platzen müsse. Spätestens wenn die Regulierer weltweit erkennen, dass Bitcoin & Co im Zuge einer zunehmenden Akzeptanz für viele Menschen eine echte Alternative für bestehende Währungen werden könnten, dürften einer weiteren Verbreitung entsprechende Grenzen gesetzt werden. Passend dazu bezeichnete jüngst Jamie Dimon, Chef der US-Investmentbank JP Morgan, den Bitcoin als wertlos, der am Ende der staatlichen Regulierung unterliegen werde. Weitere prominente Argumente der Krypto-Asset-Gegner sind der enorme Stromverbrauch und die angeblich weitverbreitete Nutzung von Krypto-Assets für kriminelle Machenschaften.
Zwischen diesen beiden Polen stehen, überwiegend unsicher bezüglich einer konkreten Einwertung, teilweise sogar orientierungslos oder überhaupt noch gar nicht mit dem Thema in Berührung gekommen, vermutlich die meisten Menschen. Ihnen fällt es oftmals schwer, sich mit der auf den ersten Blick sehr abstrakten Thematik auseinanderzusetzen. Wenn sie es trotzdem versuchen, werden sie nur allzu oft von den Pro- und Contra-Argumenten hin- und hergerissen. Eigene Recherche-Versuche enden oftmals in einem schwer überschaubaren Wust an verschiedenen Informationsangeboten auf diversen Social-Media-Plattformen.
Krypto-Assets und Blockchain stehen im Mittelpunkt
Dabei ist aus einer übergeordneten Perspektive mittlerweile klar, dass zumindest die Blockchain-Technologie einen wesentlichen Beitrag zur Gestaltung unserer Zukunft leisten wird - unabhängig davon, ob man dem Bitcoin weitere Kurssteigerungen oder aber ein Fiasko vorhersagt. Damit haben wir bereits eine wesentliche Unterscheidung und einen ersten Schritt zur Steigerung des Verständnisses für diese digitalen Entwicklungen erarbeitet: Wir müssen unterscheiden zwischen Kryptowährungen wie dem Bitcoin, deren Anwendung vor allem auf den Gedanken des Wertspeichers bzw. von Zahlungsfunktionalitäten abzielt, und anderen Krypto-Assets wie etwa Ethereum, einer Plattform für die Lancierung weiterer konkreter digitaler Anwendungen auf Basis der Blockchain-Technologie sowie diesen Anwendungen selbst. Besser spricht man also generell von Krypto-Assets.
"Gekommen, um zu bleiben" lautet daher die Überschrift unseres "D & R-TIAM Crypto-Talks", einer gemeinsamen Web-Konferenz der Privatbank Donner & Reuschel mit TiAM Fundresearch aus dem Finanzen Verlag, in dem auch €uro am Sonntag erscheint. Unser Ziel ist die Steigerung des Verständnisses dieser neuen und sich weiterverbreitenden Entwicklungen. Wir sind sicher, dass man sich mit dem Thema Blockchain und somit auch mit Krypto-Assets grundsätzlich auseinandersetzen sollte.
Es ist nicht der Anspruch, die dahinterliegenden Techniken im Detail zu verstehen. Vielmehr geht es um ein grundlegendes Begreifen der Potenziale, Einsatzbereiche und möglichen Entwicklungsrichtungen. Dafür sprechen wir aus der Perspektive eines "Nicht-Blockchain-Experten", aber mit einem tiefen Verständnis volkswirtschaftlicher und kapitalmarktrelevanter Zusammenhänge mit verschiedenen tatsächlichen Blockchain- und Krypto-Experten. Mit ihrem spezifischen Wissen helfen sie, die unübersichtliche Welt der Krypto-Assets zu sortieren und sukzessive besser beurteilen zu können.
Carsten Mumm:
Chefvolkswirt bei der Privatbank Donner & Reuschel
Der Chartered Financial Analyst (CFA) ist seit 2017 Chefvolkswirt beim Bankhaus Donner & Reuschel. Sein Verantwortungsbereich umfasst die Erstellung von Konjunktur- und Kapitalmarktprognosen sowie die Analyse relevanter Entwicklungen des gesamten Kapitalmarktumfelds. Vorher verantwortete er den Bereich Asset Management und die Vermögensverwaltung des Hauses. Der gelernte Bankkaufmann und Diplom-Volkswirt beschäftigt sich seit 25 Jahren mit den Kapitalmärkten.