Boerse-Online.de: Was bedeutet die Eskalation für die Weltbörsen und den DAX?
Carsten Mumm: An den Börsen muss die veränderte Lage zunächst einmal eingeordnet werden, entsprechend groß ist derzeit die Verunsicherung. Bis gestern waren Anleger offensichtlich nicht von einer totalen Eskalation im Sinne eines über die Ostukraine hinausgehenden Einmarschs Russlands ausgegangen. Entscheidend ist jetzt, wie lange die Militäroperation andauert, wie weit russische Truppen in die Ukraine vordringen und welche Reaktionen aus dem Westen und aus China erfolgen.
An den Börsen geht es bereits deutlich talwärts. Wie tief könnte der DAX noch fallen?
An den Aktienmärkten führt die Korrektur der bisherigen Erwartung eines moderaten Konfliktverlaufs zunächst für einen deutlichen Abverkauf. Auf den DAX bezogen könnte als Haltelinie unter charttechnischen Gesichtspunkten sogar die Marke von 13.566 Punkten ins Spiel kommen. Bis mehr Klarheit herrscht, dürften sichere Häfen wie Bundesanleihen, US-Dollar und Gold gefragt bleiben.
Welche Auswirkungen hat die Eskalation für die deutschen Wirtschaft und die Unternehmen?
Die außenwirtschaftlichen Verbindungen Deutschlands mit Russland und der Ukraine sind mit einem Anteil von 2,3 bzw. 0,3 Prozent am gesamten deutschen Außenhandel überschaubar. Die wichtigste Frage ist, ob es durch Sanktionen zu einem Abschneiden Russlands vom internationalen Zahlungsverkehr und folglich möglicherweise zu einer Einstellung von Erdgaslieferungen kommen könnte. In diesem Fall wären Zahlungsausfälle russischer Schuldner mit Rückwirkungen auf einzelne Banken oder Gläubiger in Europa und weiter steigende Energiepreise wahrscheinlich. Da der Winter bisher relativ mild verlief, ist trotz relativ gering gefüllter Erdgaslager in Europa zunächst nicht mit Rationierungen zu rechnen.
Kaufen wenn die Kanonen donnern - was halten Sie von dem Spruch?
Bisher ist die Lage zu unübersichtlich, um sich neu zu positionieren. In der Vergangenheit haben kriegerische Auseinandersetzungen zumeist nur kurzfristige Rücksetzer an den Aktienmärkten zur Folge gehabt. Allerdings ist noch nicht absehbar, wie tief die Kurse tatsächlich rutschen können. Solange nicht der Umfang des russischen Vormarsches und das das Ausmaß der Sanktionen klar sind, sollten sich Anleger zurückhalten.