Fünf Hedgefondsmanager haben 2019 nach Schätzungen des Bloomberg Billionaires Index jeweils über eine Milliarde Dollar verdient. Die vier Spitzenpositionen belegen Männer, die längst zu den Ikonen der Wall Street gehören. Allen voran Chris Hohn, der Sohn eines aus Jamaika eingewanderten Automechanikers mit deutschen und chinesischen Wurzeln, Gründer des Hedgefonds The Children’s Investment Fund, der 2005 das Topmanagement der Deutschen Börse zum Rücktritt gezwungen hatte. Nummer 2 ist der Gründer von Renaissance Technologies, James Simons. Der 81-jährige Altmeister, der sich eigentlich schon vor Jahren zur Ruhe gesetzt hatte, verdiente rund 1,7 Milliarden Dollar. An dritter Position steht Ken Griffin mit rund 1,5 Milliarden Dollar. Der Gründer von Citadel hatte seinen ersten Hedgefonds bereits als 18-jähriger Harvard-Student gestartet. Mit einem Verdienst von 1,26 Milliarden Dollar findet sich Steve Cohen, der 59-jährige Gründer von Point72 Asset Management, auf dem vierten Platz. Knapp dahinter mit 1,11 Milliarden Dollar und neu in der Liga der Superverdiener ist das "Wunderkind" Chase Coleman, dessen Tiger Global Management Fonds 30 Milliarden Dollar verwaltet. Er ist mit seinen 45 Jahren der jüngste Finanzmanager unter den 500 reichsten Menschen der Welt.
"Für Hedgefonds war das vergangene Jahr das Beste innerhalb eines Jahrzehnts", schrieb die "Frankfurter Allgemeine". Laut Schätzungen habe die Branche Erträge von insgesamt 178 Milliarden Dollar erzielt. Viele profitierten von steigenden Aktienkursen, nachdem die Zentralbanken die Zügel der Geldpolitik locker ließen. "Wer an der Wall Street zu den Superreichen aufsteigen will, muss einen Hedgefonds gründen. Gegenüber den Verdiensten der erfolgreichsten Hedgefonds-Manager wirken selbst die Gehälter von Spitzenmanagern, Sport- und Filmstars wie Kleingeld", urteilte das Blatt.
Neu im A-Team der Finanzwelt ist also Chase Coleman. Er ist einer von zahlreichen Zöglingen der Hedgefonds-Legende Julian Robertson, in dessen Tiger Management Group er sein Handwerk lernte. Robertson, der eigentlich Romanschriftsteller werden wollte, war in den 80er- und 90er-Jahren einer der besten Geldmanager der Welt. An der Wall Street nannte man ihn ehrfurchtsvoll den "Magier". Sein Hedgefonds schlug mit Gewinnen von 32 Prozent jährlich die gesamte Konkurrenz. Der ehemalige Offizier der US Navy, der sein Managerteam wie ein militärisches Spezialkommando führte, verwaltete zeitweise über 23 Milliarden Dollar und gehört heute mit einem Privatvermögen von 4,4 Milliarden Dollar zu Amerikas Superreichen. Später half Robertson seinen ehemaligen Managern, den sogenannten "Tigerbabys", eigene Fonds zu gründen - darunter auch Chase Coleman.
Berühmte Vorfahren
Coleman, 1975 als Sohn eines Rechtsanwalts und einer Innenarchitektin geboren, wuchs in New Yorks Prominentenviertel Glen Head auf Long Island auf. Die Colemans sind Nachkommen von Peter Stuyvesant, dem letzten holländischen Gouverneur, der im 17. Jahrhundert die Schutzmauer um die Wall Street bauen ließ. Coleman studierte am prestigeträchtigen Williams College in Massachusetts, das bereits sein Großvater besucht hatte, und machte 1997 einen Bachelorabschluss in Spanisch und in Wirtschaftswissenschaften.
Nach dem Studium heuerte er als Analyst bei Julian Robertson an. "Ich kenne Chase seit seiner frühen Kindheit auf Long Island. Er ist ein guter Freund meines Sohnes Spencer", sagte Robertson. Es sei deshalb ganz normal gewesen, dass er sich gleich für Tiger Management entschieden habe. Coleman ist sehr sportlich. Er war im College Kapitän des Lacrosse-Teams - eine ursprünglich von den Indianern gespielte Ballsportart, bei der ein Ball aus Hartgummi mit einem Schläger gefangen, getragen und geworfen wird. Coleman ist außerdem ein Topgolfspieler, und noch heute surft er manchmal am Morgen vor seinem 19 Millionen Dollar teuren Haus in den Hamptons, der Spielwiese des New Yorker Geldadels, bevor er mit dem Hubschrauber ins Büro nach Manhattan fliegt. Zu seinen Surfpartnern gehört auch der elffache Weltmeister Kelly Slater.
Körperliche Fitness brauchte er auch in seinem Job bei Julian Robertson. Um dort Karriere zu machen, war eine entsprechende Physis fast unentbehrlich. Denn sonst wäre es problematisch gewesen, die Betriebsausflüge zu überleben, zu denen extremes Bergsteigen und Wettbewerbe in den Sawtooth Mountains in Idaho gehörten. Robertsons Biograf Sebastian Mallaby beschrieb die üblichen Survivaltests so: "Die Tiger flogen in Robertsons Privatmaschine nach Westen und wurden auf dem Gipfel eines Hügels abgesetzt. Dann wurden sie in Teams eingeteilt, von denen jedes mit Baumstämmen in der Größe von Telefonmasten, Seilen und zwei Paddeln ausgerüstet wurde. Danach mussten sie das alles zu einem nahe gelegenen See bringen, die Baumstämme zusammenbinden und zu einer Boje rudern". Oder sie mussten im Winter mit Skiern auf hohe Berge steigen, beladen mit einem 25-Kilo-Rucksack, und bei Minustemperaturen in Zelten schlafen. Coleman war erst 25, als ihm Robertson 25 Millionen Dollar als Startkapital für einen eigenen Fonds überließ. Er nannte ihn zunächst Tiger Technology Management und benannte ihn später in Tiger Global um.
2005 heiratete Coleman die 28-jährige Amerikanerin Stephanie Ercklentz. Ihr Großvater, ein Banker aus Breslau, hatte 1926 die New Yorker Filiale der Berliner Commerzbank geleitet und wurde später als Chef eines US-Chemieunternehmens reich. Das Paar gehört der New Yorker Society an und residiert an Manhattans vornehmer 5th Avenue in einem 52 Millionen Dollar teuren Appartement.
Technologiefan
Chase Coleman ist eher ein Stockpicker der alten Schule. Mit seinem Stab von 20 Investmentprofis setzte er früh auf Internetunternehmen wie Facebook und Zynga. Lediglich 2008, im Jahr der großen Finanzkrise, verzeichnete sein Hedgefonds Verluste (minus 26 Prozent). Aber bereits ein Jahr später erzielte er immerhin einen bescheidenen Gewinn von einem Prozent. Sein Tiger Global investiert heute nach wie vor in aussichtsreiche US-Unternehmen wie Microsoft, Facebook oder Amazon, die über die Hälfte seines Aktienportfolios ausmachen. Zuletzt berichtete das "Wall Street Journal", dass Tiger Global einen 3,75 Milliarden Dollar schweren Private-Equity-Fonds gestartet habe, der in IT-Firmen in den Bereichen Konsumenten-, Unternehmens- und Finanztechnologie investieren soll. Die Bewertungen auf diesem Gebiet seien zwar schon hoch, so die Zeitung. Doch Investoren erhofften sich offensichtlich nach wie vor Renditen. Colemans Privatvermögen beträgt heute etwa 4,5 Milliarden Dollar. Damit ist er sogar noch reicher als sein Guru und Lehrmeister Julian Robertson.