Auch eine Öffnung der Märkte für ausländische Investoren stehe nicht oben auf Xis Agenda, sagt ein US-Vertreter in China, der anonym bleiben will: "Es geht primär um Disziplin und Kontrolle."
Xi hat eine Anti-Korruptionskampagne und Grundsatzentscheidungen zum wirtschaftlichen Kurs zur Chefsache gemacht und damit seine Macht gefestigt. 2013 hatte der damals neu ins Amt gekommene Präsident noch angekündigt, dass die Märkte künftig eine entscheidende Rolle in der weitgehend vom Staat dominierten Wirtschaft spielen sollten. Doch dies hat sich nach Meinung mancher Beobachter als Lippenbekenntnis erwiesen. Stattdessen habe der Staatschef die Zügel in vielen Bereichen stärker angezogen: So brachte er eine schärfere Regulierung auf den Weg - insbesondere bei Vorschriften zur Cyber-Sicherheit. Dabei sollen Firmen umfangreiche Sicherheitschecks über sich ergehen lassen und Nutzer-Daten im Land speichern, so dass der Staat letztlich den gesamten Kommunikationsfluss überwachen kann.
Sollten entsprechende Vorschriften Ende 2018 in vollem Umfang in Kraft treten, befürchtet insbesondere der Handelspartner USA eine Beeinträchtigung des internationalen Geschäftsverkehrs mit der Volksrepublik. Washington hat daher bereits Bedenken bei der Welthandelsorganisation WTO angemeldet. Es gilt als ein kontroverses Thema, das beim China-Besuch des US-Präsidenten Donald Trump Anfang November zur Sprache kommen dürfte. Dieser dringt zudem auf eine stärkere Öffnung chinesischer Wirtschaftsbereiche für amerikanische Investoren.
DAMOKLESSCHWERT SCHULDEN
Die Rating-Agentur Standard & Poor's (S&P) rechnet erst nach dem Parteikongress mit weiteren Reformen zum Abbau der hohen Verschuldung. Laut S&P-China-Experte Christopher Lee geht es jetzt nur um "Feinjustierungen". Unter anderem nehme der Druck auf Lokalregierungen und Staatsunternehmen zu, ihre Schuldenprobleme in den Griff zu bekommen. Die Gesamtverschuldung in China ist nach Angaben der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) Anfang 2017 auf 257,8 Prozent der Wirtschaftsleistung angestiegen. Vor fünf Jahren lag der Wert noch bei 187,5 Prozent. "China hat noch Spielraum, um das Problem in den Griff zu bekommen, aber er sinkt", warnt Lee.
S&P hatte die chinesische Bonitätsnote erst vor wenigen Wochen auf "A+" von bislang "AA-" gesenkt und dies damit begründet, dass die Regierung die wachsende Verschuldung zu zögerlich angehe. Das Rating hat immer noch das Gütesiegel "Investment Grade". Damit gelten Investitionen in chinesische Staatsanleihen weiter als vergleichsweise sichere Anlagen - aber nur unter der Bedingung, dass keine unvorhergesehenen Ereignisse die Wirtschaft beeinträchtigen.
Die Regierung peilt für 2017 ein Plus beim Bruttoinlandsprodukt von 6,5 Prozent an, das laut Experten jedoch eher bei sieben Prozent landen dürfte. Für die am Donnerstag anstehenden Daten zum Wirtschaftswachstum im dritten Quartal wird das Plus mit 6,8 Prozent Experten zufolge einen Tick niedriger als im zweiten Vierteljahr ausfallen. Nach dem Boom mit teils zweistelligen Wachstumsraten will Xi das exportlastige Wirtschaftsmodell stärker auf den Binnenmarkt mit seiner Milliardenbevölkerung ausrichten. Ein Ankurbeln des privaten Konsums soll für ein nachhaltiges Wachstum sorgen. Doch bei der Umstellung hakt es: Noch immer stehen Kredite und Investitionen im Mittelpunkt, während die für ein Anspringen des Konsums entscheidende Kaufkraft der Bürger erst jüngst gestärkt wurde.
Auch wenn der Parteitag laut S&P-Experte Lee "keine radikale Änderung des wirtschaftspolitischen Kurses" bringen wird, dürfte es laut Ökonom Witold Bahrke von der Bank Nordea zu einer grundlegenden Umgestaltung der politischen Landschaft kommen: Über 60 Prozent der Mitglieder des Zentralkomitees der KP werden demnach aufgrund eines Rotationsverfahrens ausgetauscht. Und fünf von sieben Mitgliedern des Ständigen Ausschusses des Politbüros dürften in den Ruhestand gehen: "Es ist zu erwarten, dass Xi als der mächtigste Mann Chinas die Stellen mit ihm wohl gesonnenen Parteigenossen neu besetzen und seine Machtposition weiter ausbauen wird."