Kehrt die Inflation zurück? Diese Frage interessiert nicht nur Verbraucher, die Benzin oder Brot kaufen. Auch Anleger achten darauf, ob die Preise steigen. Geschieht dies, profitieren Aktien, andernfalls Anleihen. So lautet die Daumenregel. Derzeit wäre es vermessen, von Inflation zu reden. Die Preise in Deutschland stiegen zuletzt um 0,4 Prozent, in den USA um 0,8 Prozent. Das ist der Status quo.
Gavyn Davies blickt voraus. "In nächster Zeit könnten Anleger wieder über das Thema Reflation reden", sagt der Brite. Damit meint er ein Umfeld aus Wachstum, Geld- und Fiskalpolitik, das die Inflation antreiben könnte. Davies ist kein Unbekannter in der Finanzbranche. In den Jahren 1986 bis 2001 war er Chefvolkswirt bei Goldman Sachs. 2005 gründete er mit anderen in London Fulcrum Asset Management, wo er mittlerweile als Chef des Verwaltungsrates fungiert. Fulcrum hat sich auf makroökonomische Analysen spezialisiert und entwickelt daraus Anlagestrategien.
Zunächst blickt Davies jedoch zurück. In den vergangenen vier Jahren hätte die Geldpolitik die Börsen stark beeinflusst, analysiert er. "Von 2012 bis Mai 2015 hat Quantitative Easing die Märkte dominiert", sagt er und verweist auf die Zentralbanken in Euroland und Japan. Diese hätten vermehrt Staatsanleihen gekauft und damit die Liquidität an den Märkten erhöht, sodass die Kurse stiegen sowie Euro und Yen absackten. Ab Mai 2015 hätten dann Sorgen vor Deflation die Märkte dominiert, als die Rohstoffpreise fielen und höhere US-Leitzinsen absehbar waren. Daraufhin stiegen die Bondkurse - die Aktienkurse schwächelten. Davies erkennt nun jedoch drei Gründe, die für eine Reflationierung der Wirtschaft sprechen.
Grund Nummer 1: Mehr Wachstum. "Die wirtschaftlichen Daten verbessern sich weltweit deutlich", meint er. So hätten sich die USA und China von ihrer Schwächephase erholt, und in Brasilien und Russland ließe die Rezession jeweils nach. Dies zeigt das sogenannte "Nowcast"-Modell, mit dem Fulcrum nicht die Entwicklung einer Volkswirtschaft prognostizieren will (Forecast), sondern in Echtzeit deren gegenwärtigen Zustand zu erfassen versucht.
Grund 2: Mehr Inflation. "In den Industrieländern könnte die Inflation bis Mitte 2017 auf rund zwei Prozent steigen", sagt Davies. Heute liege sie bei 0,6 Prozent. Das hat zum Großteil mit dem Basiseffekt zu tun. Von Mitte 2014 bis zum Jahreswechsel 2015/16 fiel der Ölpreis deutlich und drückte die Inflationsrate nach unten. Dieser Effekt läuft allmählich aus, da der Ölpreis im Jahresvergleich nicht mehr sinkt.
Grund 3: Höhere staatliche Ausgaben. Davies vermutet, dass die Sparpolitik der Industrieländer enden wird. Das gelte vor allem für Japan, dass seine Konjunktur mit weiteren staatlichen Mitteln ankurbeln wolle. "Die Märkte richten ihren Blick inzwischen stärker auf die Fiskalpolitik und weniger auf die Geldpolitik", erklärt der Fulcrum-Mann. Läge Davies mit seinem Ausblick richtig, spräche dies zunächst für Aktien und gegen Anleihen. Zumindest, solange die Fed bei den Zinsen stillhält.