Die Angst vor der neuen Coronavirus-Variante Omikron sorgte in den letzten Wochen für einen Rückschlag für den Dax. Bis zum Auftauchen von Omikron Ende November hatte der deutsche Leitindex im Jahresverlauf rund 16 Prozent gewonnen, mittlerweile sind es nur noch rund zehn Prozent. Doch es ist immer noch das neunte Mal in zehn Jahren, dass der Dax ein Gesamtjahresplus erzielt. Von Reuters befragte Analysten sagen dem Index für 2022 durchaus neue Kursrekorde voraus. Dafür sind allerdings keine allzu großen Ausschläge nötig: Von seiner bisherigen Bestmarke von 16.290,19 Zählern ist der Dax derzeit etwa 7,5 Prozent entfernt. BayernLB-Chefvolkswirt Jürgen Michels traut dem Dax optimistische 17.400 Punkte zu, das wäre ein Plus von 15 Prozent.

DRAHTSEILAKT


Ein Unsicherheitsfaktor 2022 sei die von den großen Notenbanken eingeleitete Normalisierung der Geldpolitik, warnt Anlagestratege Carsten Roemheld vom Vermögensverwalter Fidelity. Fed, EZB & Co müssten die Zügel anziehen, um der Inflation Herr zu werden, dürften dabei aber nicht die Konjunktur abwürgen. "In diesem Umfeld wächst die Gefahr von Fehlentscheidungen."

Auch Emmanuel Cau, Chef-Anlagestratege für europäische Aktien bei der Barclays Bank, mahnt zur Vorsicht. "Die Pandemie ist noch nicht vorüber und ein Großteil der guten Nachrichten sind bereits eingepreist." So lange die Notenbanken aber die geldpolitische Unterstützung eher langsam zurückschraubten, würden Investoren Kursrücksetzer sicher zum Einstieg nutzen.

Allerdings steht die deutsche Wirtschaft wegen der Pandemie-bedingten Einschränkungen vor harten Monaten, wie Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer zu bedenken gibt. "Die Erfahrungen des vergangenen Winters sprechen aber dafür, dass die Wirtschaft über weite Strecken des ersten Quartals beeinträchtigt und deshalb erneut schrumpfen wird. Sogar eine weitere Welle im Frühjahr kann nicht ausgeschlossen werden." Sobald die Infektionszahlen aber wieder fielen und sich die Liefer-Engpässe auflösten sei eine Konjunkturerholung zu erwarten, die stärker ausfallen könnte als 2021.

GELDFLUT UND FIRMENGEWINNE WERDEN KURSE WOHL STÜTZEN


Auf diese Nachhol-Effekte setzt Robert Greil, Chef-Anlagestratege des Bankhauses Merck Finck, als Aktienkurs-Treiber 2022. Rainer Weyrauch, Manager der Fürst Fugger Privatbank, verweist zudem auf die weiterhin üppige Liquidität an den Aktienmärkten. "Es wird wieder viel Geld darauf warten, angelegt zu werden." Die EZB fährt zwar ihre Wertpapierkäufe im neuen Jahr zurück. Im Gegensatz zur US-Notenbank Fed oder der Bank von England (BoE) liegen Zinserhöhungen aber noch in weiter Ferne.

Weil die Technologiebranche von einer strafferen Geldpolitik eher belastet wird, raten Analysten dazu, verstärkt in Substanz- und konjunkturabhängige Werte zu investieren. Hierzu gehören Stahlkocher. So traut Analyst Alan Spence von der Investmentbank Jefferies diesen Firmen dank starker Gewinnmargen 2022 Rekordergebnisse beim Freien Cash Flow zu. Bei Immobilienwerten könne mit einer Fortsetzung der Hausse gerechnet werden, prognostiziert Portfolio-Manager Guy Barnard vom Vermögensverwalter Janus Henderson. Bei den aktuellen Kursen sei es günstiger, in diese Branche zu investieren als Immobilien direkt zu kaufen. Rosig seien auch die Aussichten für die in Deutschland stark vertretenen Anlagenbauer, schreiben die Analysten der DZ Bank. Neben Nachhol-Effekten profitierten sie vom Trend zu umweltschonenderen Technologien, der zu einem Investitionsschub führe.

rtr