Dax und EuroStoxx50 brachen am Freitag zeitweise so stark ein wie zuletzt beim Börsen-Crash im März 2020, als die erste Pandemie-Welle Rezessionsängste geschürt hatte. Bis zum Mittag ließ der Verkaufsdruck allerdings etwas nach. Die beiden Indizes notierten nur noch jeweils rund zweieinhalb Prozent im Minus bei 15.516 beziehungsweise 4172 Punkten.

Der Terminkontrakt auf den Dow Jones signalisierte ähnlich massive Eröffnungsverluste des US-Standardwerteindex. "Der 'Black Friday' scheint heute auch an der Börse mit Kurs-Rabatten einherzugehen", sagte Analyst Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets. Ob Aktien damit aber bereits wieder günstig seien, wisse im Moment noch niemand.

AGGRESSIVER UND IMPFSTOFF-RESISTENTER?


Die in Südafrika entdeckte Mutation des Covid-19-Erregers könnte Experten zufolge ansteckender als der aktuell grassierende Delta-Typ und resistenter gegen die bisherigen Impfstoffe sein. "Sollte sich die neue Variante als sehr aggressiv herausstellen, könnte dies wie bei der ersten Corona-Welle mit der Schließung des internationalen Flugverkehrs einhergehen", warnte Anlagestratege Jürgen Molnar vom Brokerhaus RoboMarkets. Einige Staaten schränken die Reisefreiheit bereits ein oder standen kurz davor.

Vor dem Hintergrund brach der Index der europäischen Reise- und Tourismuswerte um bis zu 7,3 Prozent ein. Ähnlich stark abwärts ging es vorbörslich an der Wall Street für die Fluggesellschaften American Airlines, Delta und United. Die Papiere von Freizeitwerten flogen ebenfalls in hohem Bogen aus den Depots. So fielen die Titel der britischen Kinokette Cineworld und ihres US-Rivalen AMC um jeweils etwa sieben Prozent. Drohende Schließungen von Freizeitparks drückten den Unterhaltungskonzern Walt Disney im vorbörslichen US-Geschäft 3,4 Prozent ins Minus auf ein Zwölf-Monats-Tief von 146,20 Dollar.

Bei Anbietern von Coronavirus-Impfstoffen griffen Investoren dagegen beherzt zu. So stiegen Aktien der deutschen Biotechfirma BioNTech zeitweise um fast sechs Prozent. In den USA gewannen die Titel ihres Entwicklungspartners Pfizer vorbörslich gut fünf Prozent. Die Konkurrenten Moderna und Novavax legten bis zu 8,3 Prozent zu. Die Aktien des US-Pharmakonzerns Merck & Co, der wie Pfizer ein Medikament zur Behandlung von Corona-Patienten anbietet, rückten ein Prozent vor.

AUSVERKAUF BEI ROHSTOFFEN - "SICHERE HÄFEN" GEFRAGT


Die Konjunkturängste schlugen sich auch in Rohstoffkursen nieder: Spekulationen auf einen erneuten Rückgang der Nachfrage drückte den Preis für die Öl-Sorte Brent aus der Nordsee fast sechs Prozent ins Minus auf 77,51 Dollar je Barrel (159 Liter). Zusätzlich belasteten Spekulationen über ein mögliches Überangebot die Stimmung, sagte Analyst Tamas Varga vom Brokerhaus PVM. Ein Beratergremium der Opec prognostiziert dies wegen der Freigabe strategischer Reserven durch die USA und andere Staaten. Vor diesem Hintergrund rutschte der Index für die europäische Öl- und Gasbranche um 4,6 Prozent ab.

Das wichtige Industriemetall Kupfer verbilligte sich um 3,3 Prozent auf 9475 Dollar je Tonne. "Es ist aber noch zu früh, um zu beurteilen, ob die neue Virus-Variante Einfluss auf die Nachfrage haben wird", sagte ein Börsianer.

Gefragt waren dagegen "sichere Häfen" wie Gold. Das Edelmetall legte gut ein Prozent auf 1810 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm) zu. "Wenn die neue Variante sich in den USA ausbreitet, würde es das dortige Wachstum dämpfen", sagte Stephen Innes, Partner beim Vermögensverwalter SPI. In einem solchen Umfeld werde eine Zinserhöhung der Notenbank Fed unwahrscheinlicher.

Gleiches gilt für die Euro-Zone. Während die Kurse an den Terminmärkten bislang klar eine EZB-Zinserhöhung von 0,1 Prozentpunkten im Dezember 2022 signalisiert hatten, ist die Wahrscheinlichkeit inzwischen auf 50 Prozent gesunken. Vor diesem Hintergrund griffen Investoren auch bei Bundesanleihen wieder zu und drückten die Rendite der zehnjährigen Titel auf minus 0,316 Prozent. Ihre US-Pendants rentierten ebenfalls niedriger bei plus 1,517 Prozent.

rtr