Die zweite Coronavirus-Welle habe Europa fest im Griff, sagte Volkswirtin Alessia Berardi vom Vermögensverwalter Amundi. Die Regierungen stünden unter wachsendem Druck, das öffentliche Leben drastisch einzuschränken. In Deutschland beraten Bund und Länder über eine Schließung von Gastronomie sowie Sport- und Freizeit-Einrichtungen. Medienberichten zufolge könnten in Frankreich ab Donnerstag ähnlich strenge Restriktionen eingeführt werden wie im Frühjahr.
"ANGSTBAROMETER" STEIGEN - LOCKDOWN ALS CHANCE?
Vor diesem Hintergrund stiegen die Volatilitätsindizes VDax und VStoxx, die die Nervosität der Anleger messen, jeweils auf ein Vier-Monats-Hoch von 40,59 beziehungsweise 38,63 Punkten. Das vergleichbare Barometer für Euro-Anleger erreichte den höchsten Stand seit dem Börsen-Crash vom März.
Der Begriff "Lockdown" dürfe aber nicht zum Unwort verkommen, warnte Thomas Gitzel, Chef-Volkswirt der VP Bank. "Ein kurzer strikter Lockdown kann eine Chance sein." Würden die Infektionsketten durchbrochen, fühlten sich Verbraucher wieder sicherer und würden sich nicht in längerfristigem freiwilligen Konsumverzicht üben. Allerdings sei bislang nicht absehbar, dass diesmal ähnlich großzügige Hilfspakete aufgelegt würden, um die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie abzufedern, gab Anlagestratege Michael Hewson vom Brokerhaus CMC Markets zu bedenken.
ÖLPREIS FÄLLT - DOLLAR UND ANLEIHEN GEFRAGT
Spekulationen auf einen Nachfrage-Rückgang schickten auch den Ölpreis auf Talfahrt. Die Sorte Brent aus der Nordsee verbilligte sich um 4,6 Prozent auf 39,27 Dollar je Barrel (159 Liter). Verschärft werde der Verkaufsdruck durch die steigenden US-Lagerbestände, sagte Harry Tchilinguirian, Chef-Anlagestratege für Erdöl bei der Bank BNP Paribas. Im Sog des Ölpreises rutschte der Index für die europäischen Öl- und Gaswerte um gut drei Prozent ab.
Gleichzeitig flüchteten Investoren in "sichere Häfen" wie Bundesanleihen. Dies drückte die Rendite der zehnjährigen Titel auf minus 0,646 Prozent, den tiefsten Stand seit März. Gefragt war auch die Weltleitwährung. Der Dollar-Index, der den Kurs zu wichtigen anderen Währungen widerspiegelt, gewann 0,7 Prozent. Dies setzt dem Goldpreis zu, weil das Edelmetall für Investoren außerhalb der USA unattraktiver wird. Es gab 1,4 Prozent auf 1879,46 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm) nach.
REISE- UND AUTOWERTE UNTER DRUCK
Am Aktienmarkt flogen vor allem Reise- und Touristikwerte aus den Depots. Dieser Sektor leidet besonders stark unter den Pandemie-Restriktionen. Der Branchen-Index fiel um 2,3 Prozent. Sein Pendant für die Autobauer rutschte sogar um 4,3 Prozent ab. Lockdown-Ängste setzten hier vor allem französischen Firmen zu.
Gegen den Trend stiegen die Titel von Aston Martin zeitweise um mehr als 17 Prozent. Der durch die "James Bond"-Filme bekannte britische Sportwagen-Hersteller bezahlt in den kommenden Jahren Zuliefer-Teile von Daimler mit eigenen Aktien. "Das ist ein smarter Deal", lobte Analyst Daniel Schwarz von der Mainfirst Bank. "Mercedes kommt ohne finanzielle Investition an 20 Prozent von Aston Martin. Wenn es dort gut läuft, ist das was wert. Wenn es schlecht läuft, ist das Risiko sehr begrenzt."
Dem allgemeinen Abwärtstrend konnte sich auch die Deutsche Bank nicht entziehen, obwohl das Institut in die schwarzen Zahlen zurückkehrte. Die Aktie büßte 0,2 Prozent ein. "Die Zahlen sind zwar ermutigend", sagte CMC-Experte Hewson. "Die große Frage ist aber, ob sie auch nachhaltig sind.
rtr