Anleger befürchteten, dass die angezogenen Energiepreise die Zentralbanken dazu zwingen könnten, die Zinsen schneller anzuheben, um auf die steigende Inflation zu reagieren.

"Ein weiterer Anstieg des Ölpreises wird alle dazu zwingen, die Inflationsannahmen neu zu bewerten", sagte Dave Wang, Portfoliomanager bei Nuvest Capital. Zudem befürchteten Börsianer Rückschläge für die wirtschaftliche Erholung. "Ein Ölpreisanstieg auf 90 oder 100 Dollar könnte die Erholung der durch die Pandemie ohnehin geschwächten europäischen Konjunktur gefährden, zumal die russischen Gasimporte eine Ölpreisbindung besitzen", sagte Jochen Stanzl, Marktanalyst vom Handelshaus CMC Markets. Mit dem höheren Ölpreis stiegen damit auch die Gaspreise weiter an.


FURCHT VOR ENERGIEKRISE

Trotz der Sorgen über eine weltweite Energieknappheit widersetzten sich die großen Ölförderländer dem Druck und beschlossen am Montag die Fördermengen nicht schneller hochzufahren. Der Verzicht auf eine stärkere Förderung der Opec+ sorgte auch zur Wochenmitte noch als Preistreiber und verteuerte die Sorte Brent aus der Nordsee auf bis zu 83,47 Dollar je Barrel (159 Liter), dem höchsten Stand seit drei Jahren. Der Preis von US-Öl WTI zog auf bis zu 79,78 Dollar an und lag damit so hoch wie seit sieben Jahren nicht mehr.

"Mit dem noch ausstehenden Wintereinbruch auf der Nordhalbkugel zeichnet sich eine Energiekrise ab, die die Voraussetzungen für noch höhere Ölpreise schafft", sagte Stephen Brennock vom Ölmakler PVM. Der Preis für die Sorte Brent ist in diesem Jahr bereits um mehr als 50 Prozent angezogen. Auch Erdgas liegt in Europa auf einem Rekordhoch. Zudem haben die Kohlepreise der großen Exporteure Höchststände erreicht. In Kombination mit den anhaltenden Lieferengpässen wachse damit der Druck auf die Notenbanken, die geldpolitischen Zügel früher anzuziehen.

AUSVERKAUF BEI STAATSANLEIHEN


In Erwartung einer Drosselung der massiven Wertpapierkäufe durch die US-Notenbank Fed schmissen die Anleger reihenweise Staatsanleihen aus ihren Depots. Im Gegenzug zogen die Anleiherenditen in der Euro-Zone weiter an und folgten damit den US-Staatsanleihen. Die Rendite der richtungweisenden zehnjährigen Bundesanleihe kletterte auf minus 0,147 Prozent und damit auf den höchsten Stand seit Ende Juni. Die Renditen der zehnjährigen US-Staatsanleihen waren zuvor um 4,5 Basispunkte auf 1,573 Prozent geklettert.

"An Belastungsfaktoren mangelt es im Augenblick wahrhaftig nicht", sagte Christian Henke, Analyst vom Brokerhaus IG. "Auch der mögliche Zahlungsausfall der US-Regierung schwebt wie ein Damoklesschwert über den Finanzmärkten." US-Finanzministerin Janet Yellen warnte erneut vor den Folgen für die Wirtschaft, falls die Schuldenobergrenze nicht erhöht oder zumindest ausgesetzt werde.

Am deutschen Aktienmarkt konnten sich keine Werte dem allgemeinen Abwärtstrend entziehen. Auch die Bayer-Aktie rutschte im Handelsverlauf ins Minus, nachdem sie zunächst um bis zu 2,7 Prozent zugelegt hatte. Im jahrelangen Streit über den angeblich krebserregenden Unkrautvernichter Glyphosat erzielte der Konzern erstmals einen juristischen Sieg in den USA. "Bayer, Schuld anzulasten, scheint kein Kinderspiel mehr zu sein", sagte ein Händler. Auch wenn es kein großer Sieg sei, sei es zumindest ein Erfolg, der sich positiv auswirke.

An der Börse in London widersetzten sich dagegen Tesco-Aktien dem schwachen Marktumfeld und legten um bis zu 5,2 Prozent zu. Nach einem starken ersten Halbjahr schraubte die größte britische Handelskette die Prognose nach oben. Die Lieferketten des Branchenprimus hätten sich als widerstandsfähig erwiesen, teilte Konzernchef Ken Murphy mit. Die britischen Einzelhändler kämpfen mit Unterbrechungen der Lieferkette und einem Arbeitskräftemangel.

rtr