"Die Inflation beschäftigt die Anleger in Europa, was den Druck auf die EZB erhöht, die Geldpolitik zu straffen", sagte Susannah Streeter, Analystin beim Brokerhaus Hargreaves Lansdown.

Die steigenden Energiepreise könnten die EZB zu einem Vorgehen gegen die Inflation zwingen, sagte EZB-Direktorin Isabel Schnabel am Wochenende. Die lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank ist zuletzt zunehmend in die Kritik geraten. In den USA erwarteten Anleger für März eine erste Zinserhöhung der US-Notenbank Fed, sagte Analyst Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets. "Die Märkte sind bereits dabei, bis Ende des Jahres vielleicht sogar vier statt drei Leitzinsanhebungen als Basis-Szenario einzupreisen." Die Fed berät am 26. Januar über ihre Geldpolitik.

RENDITEN ZIEHEN AN


In Erwartung einer nahenden US-Zinserhöhung trennten sich Anleger von Staatsanleihen. Dies trieb die Rendite der richtungweisenden zehnjährigen US-Treasuries auf ein Zwei-Jahres-Hoch von plus 1,808 Prozent. Ihre deutschen Pendants rentierten mit minus 0,027 Prozent so hoch wie zuletzt vor gut zweieinhalb Jahren. Bei den US-Bonds sei das Ende der Fahnenstange aber noch lange nicht erreicht, prognostizierte Volkswirt Nicholas Farr vom Research-Haus Capital Economics. "Der Markt scheint immer noch zu unterschätzen, wie stark der Fed-Leitzins in den kommenden Jahren steigen wird." Er sehe daher die Rendite der zehnjährigen T-Bonds Ende 2023 bei 2,25 Prozent.

Die Spekulationen auf Leitzins-Erhöhungen sorgten für Rückenwind bei Finanzwerten. Banken profitieren von steigenden Zinsen, weil ihnen dann höhere Gewinne winken. Der europäische Branchen-Index stieg daher den sechsten Tag in Folge um rund ein halbes Prozent auf ein Dreieinhalb-Jahres-Hoch. Auch in den USA konnten Kreditinstitute im vorbörslichen Handel zulegen.

Dagegen gaben zinsempfindliche Immobilienaktien erneut nach. An der Börse in London setzten anstehende milliardenschwere Sanierungskosten britischen Hausbauern zu. Die Aktien von Persimmon, Berkeley, Barrat und Taylor Wimpey fielen jeweils zwischen 2,5 und 4,4 Prozent. Die Branche muss auf Anordnung der britischen Regierung umgerechnet 4,8 Milliarden Euro für den Austausch feuergefährlicher Hausverkleidungen zahlen. Dies ist eine Reaktion auf den Großbrand im Londoner Grenfell Tower, bei dem 2017 mehr als 70 Menschen ums Leben kamen. "Eine böse Überraschung für Immobilienentwickler", kommentierte Neil Wilson, Chef-Analyst des Online-Brokers Markets.com.

Im Dax gehörte BMW zu den Spitzenreitern. Die Titel stiegen um bis zu 3,6 Prozent auf ein Sechs-Jahres-Hoch von 99,04 Euro. Die geplante Mehrheitsübernahme beim Joint Venture mit dem chinesischen Autobauer Brilliance werde den Umsatz des Münchener Konzerns 2022 um 18 Prozent und den operativen Gewinn um 52 Prozent steigern, prognostizierte Analyst George Galliers von der Bank Goldman Sachs. Er empfahl BMW-Titel daher mit einem Kursziel von 123 Euro zum Kauf.

Der vorläufige Verkaufsstopp für den Coronavirus-Schnelltest von Avacta brockten dagegen der Biotech-Firma einen der größten Kursverluste der Firmengeschichte ein. Die Titel brachen in London um etwa 30 Prozent ein. Das Unternehmen nimmt seine Tests vorübergehend vom Markt, um die darin enthaltenen Antikörper zu erneuern, da die bisherigen nur bedingt auf die Omikron-Variante des Coronavirus ansprechen.

rtr