Mut machte Investoren unter anderem die vorerst abgewendete Zahlungsunfähigkeit des Immobilienkonzerns China Evergrande. "In der sprichwörtlich letzten Sekunde zahlte das Unternehmen fällige Zinsen für eine Anleihe, musste dabei das Zahlungsziel aber nahezu komplett ausreizen", sagte Anlagestratege Jürgen Molnar vom Brokerhaus RoboMarkets. Damit habe sich das Unternehmen allerdings nur Zeit erkauft und sei noch lange nicht über den Berg. Evergrande ist mit rund 300 Milliarden Dollar verschuldet und hat in den vergangenen Wochen mehrere Zinszahlungstermine verstreichen lassen. Offiziell wird ein Zahlungsausfall allerdings erst, wenn eine Nachfrist von 30 Tagen abläuft.

Gleichzeitig schüttelten Investoren die Furcht vor einer steigenden Inflation und einer strafferen Geldpolitik der Notenbanken ab, sagte Neil Wilson, Chef-Analyst des Online-Brokers Markets.com. "Denn das Gewinnwachstum der Unternehmen entwickelt sich besser als erwartet." Auch Mark Haefele, Chef-Anleger der Vermögensverwaltung der Bank UBS, traut den Börsen weitere Kursgewinne zu. "Das weltweite Wirtschaftswachstum bleibt stark, die Lieferkettenprobleme sollten 2022 schwinden und die Firmengewinne weiter wachsen."

L'OREAL UND "ZEWA"-ANBIETER ESSITY ÜBERZEUGEN MIT ZAHLEN


Ein Stimmungsaufheller waren die Geschäftszahlen von L'Oreal. Der Quartalsumsatz von acht Milliarden Euro liege deutlich über den Markterwartungen, lobte Analyst Martin Deboo von der Investmentbank Jefferies. Außerdem könne mit steigenden Analystenprognosen für das Gesamtjahresergebnis gerechnet werden, da sich der Kosmetik-Konzern optimistisch zu den weiteren Aussichten geäußert habe. L'Oreal-Aktien stiegen in Paris zeitweise um knapp sieben Prozent, so stark wie noch nie in diesem Jahr. In ihrem Windschatten gewannen die Titel des "Nivea"-Anbieters Beiersdorf knapp zwei Prozent.

In Stockholm gehörte Essity mit einem Kursplus von vier Prozent zu den Favoriten. Der Anbieter von "Zewa"-Küchenrollen und "Tempo"-Taschentüchern machte den Angaben zufolge einen operativen Quartalsgewinn von umgerechnet 360 Millionen Euro. Dieser Wert liege vier Prozent über den Markterwartungen, schreiben die Analysten von JPMorgan.

Der Londoner Börsenbetreiber LSE verdiente zwar ebenfalls mehr, die Papiere fielen dennoch um fünf Prozent. Die Warnung vor einem verlangsamten Gewinnwachstum im vierten Quartal überschattete die Zahlen. Dies sei aber lediglich der relativ hohen Vergleichsbasis im Vorjahreszeitraum geschuldet, gaben die Experten der UBS zu bedenken. Sie hielten daher an ihren Prognosen für das Gesamtjahr fest.

LIRA AUF TALFAHRT - RUBEL IM AUFWIND


Am Devisenmarkt markierte die türkische Lira den zweiten Tag in Folge Rekordtiefs zu Euro und Dollar. "Der Fall ist ein Paradebeispiel für verloren gegangenes Vertrauen der Finanzmärkte", sagt Thomas Gitzel, Chef-Volkswirt der VP Bank. Statt den Abwertungen und der hohen Inflationsrate von knapp 20 Prozent mit Zinserhöhungen zu begegnen, hätten die Notenbanker die geldpolitischen Zügel gelockert. "Vertrauensbildende Maßnahmen sehen anders aus."

Die russische Zentralbank hob den Leitzins dagegen überraschend stark an und hievte die Landeswährung auf Eineinhalb-Jahres-Hochs zu Dollar und Euro. "Das ist ein großzügiges Geschenk an den Rubel", sagte Dimitri Polewoj, Investment-Chef des Vermögensverwalters Locko.

rtr