Risiken wie der Ukraine-Krieg oder die US-Zinswende hätten offenbar ihren Schrecken verloren, sagte Analyst Christian Henke vom Brokerhaus IG. "Anders formuliert, die Marktteilnehmer haben sich an die aktuelle geopolitische Situation und die steigenden Zinsen in den Vereinigten Staaten gewöhnt."

Selbst die Aussicht auf eine nahende Kehrtwende der Europäischen Zentralbank (EZB) schmälerte die Kauflaune der Investoren kaum. In den vergangenen Tagen hätten vor allem die Verfechter einer strafferen Geldpolitik für eine baldige Zinserhöhung getrommelt, sagte Peter Schaffrik, Anlagestratege der Investmentbank RBC Capital Markets. Inzwischen stimmten auch moderatere Kräfte wie der EZB-Vize Luis de Guindos in diesen Chor ein.

Vor diesem Hintergrund stieg der Euro um 0,3 Prozent auf 1,0887 Dollar. Europäische Staatsanleihen flogen dagegen aus den Depots. Dies brachte die Rendite der zehnjährigen Bundestitel mit 0,881 Prozent auf Schlagdistanz zu ihrem jüngsten Sieben-Jahres-Hoch.

ÖL TEURER - SCHWÄCHELNDE FÖRDERUNG TREIBT METALLPEISE


Unterdessen verteuerten Ausfälle libyscher Lieferungen die Rohöl-Sorte Brent aus der Nordsee um 1,2 Prozent auf 108,06 Dollar je Barrel (159 Liter). "Grund hierfür sind die anhaltenden Blockaden von Öleinrichtungen", sagte Commerzbank-Analyst Carsten Fritsch. "Das dürfte es der EU erschweren, nach alternativen Anbietern zu suchen, um ein Ölembargo gegen Russland beschließen zu können."

Auch bei Kupfer griffen Investoren zu, nachdem einige Bergbaukonzerne einen Rückgang der Erzfördermengen bekanntgegeben hatten. Der Preis für das Industriemetall stieg um 0,5 Prozent auf 10.276 Dollar je Tonne. Steigende Kosten für Treibstoff und andere Güter erschwerten es den Unternehmen, die Produktion am Laufen zu halten, sagte Analyst Ole Hansen von der Saxo Bank. "Wir brauchen aber Steigerungen in den kommenden Jahren, um unsere Pläne bezüglich des Klimaschutzes oder der Abhängigkeit von russischen Lieferungen erfüllen zu können." Kupfer spielt eine wichtige Rolle bei der Elektrifizierung von Verkehr und Industrie.

LICHT UND SCHATTEN IN DER ROHSTOFFBRANCHE - ABB GEFRAGT


So brach die Produktion des chilenischen Kupfer-Förderers Antofagasta unter anderem wegen einer Dürre im ersten Quartal um 24 Prozent ein. Die in London notierten Aktien des Unternehmens verbuchten mit einem Minus von zeitweise gut neun Prozent den größten Kurssturz seit dem Börsen-Crash vom März 2020. Konkurrent BHP kürzt wegen Arbeitskräfte-Mangel und Protesten von Anwohnern und Arbeitern der weltgrößten Kupfermine Escondida in Chile seine Produktionsziele für 2022. BHP-Papiere gaben daraufhin gut zwei Prozent nach.

Die Titel von Aurubis stiegen dagegen um bis zu zehn Prozent auf ein Rekordhoch von 119,75 Euro und steuerten auf den größten Tagesgewinn seit zweieinhalb Jahren zu. Europas größte Kupferhütte hob nach einem starken Quartalsergebnis seine Gesamtjahresziele an.

In Zürich griffen Investoren bei den Aktien von ABB. Sie stiegen um bis zu 6,6 Prozent, so stark wie zuletzt vor zwei Jahren. Analyst Philip Buller von der Berenberg Bank lobte den starken Auftragseingang und die Margenentwicklung des Elektrotechnik-Konzerns. Vor dem Hintergrund der westlichen Sanktionen gegen Russland seien zudem die bekräftigten Gesamtjahresziele ermutigend. Im Windschatten von ABB rückten die Titel des deutschen Rivalen Siemens 3,6 Prozent vor.

rtr