Trotz Rekordinflation bleiben die Zinsen im Euroraum vorerst unverändert. Die EZB beließ den Leitzins auf dem Rekordtief von null Prozent. Die Währungshüter bekräftigten zugleich aber, auf ein Ende ihrer ultralockeren Geldpolitik zuzusteuern. Ökonomen halten einen ersten Zinsschritt noch in diesem Jahr für möglich. In den USA und Großbritannien haben die Notenbanken den Leitzins hingegen bereits erhöht.
Es sei eigentlich ein untragbarer Zustand, dass die EZB die Zinsen unverändert gelassen habe und das bei Inflationsraten von knapp acht Prozent, kommentierte Otmar Lang, Chefvolkswirt der Targobank, die Entscheidung. Die EZB brauche dringend einen Befreiungsschlag und sollte sich an der Vorgehensweise der Fed ein Beispiel nehmen, schrieb er. "Die amerikanische Notenbank lässt seit Wochen sehr deutlich durchklingen, dass für sie der Kampf gegen die Inflation klar im Vordergrund steht. Befindlichkeiten auf dem Aktienmarkt, die in der Vergangenheit durchaus eine wichtige Rolle gespielt hatten, scheinen zweitrangig."
Weil es erst einmal nicht zu einer unerwarteten Beschleunigung der geldpolitischen Straffung gekommen sei, griffen an der Börse die Anleger wieder zu, hieß es aus dem Handel.
Gewinne verbuchten Aktien aus der Luftfahrtbranche. Im Dax gehörten Airbus und MTU zu den Favoriten mit einem Zuwachs von bis zu gut zwei Prozent. Fraport waren mit plus 4,5 Prozent unter den Top-Werten im MDax, in dem auch die Lufthansa -Papiere um 2,4 Prozent anzogen. Luftfahrtwerten half, dass der Billigflieger Wizz Air offenbar ein gutes Quartal hinter sich hat. Der operative Verlust scheine geringer als ursprünglich von der Billigfluglinie erwartet auszufallen, hieß es dazu von JPMorgan. Am Vortag hatten bereits gute Zahlen von Delta Air Lines den Papieren der Fluggesellschaften Auftrieb gegeben.
Volkswagen verloren am Dax-Ende nach Eckdaten zum ersten Quartal und Verkaufszahlen 1,7 Prozent. Der Autobauer habe ein solides operatives Ergebnis, aber einen relativ schwachen Mittelzufluss ausgewiesen, schrieb Analyst Philippe Houchois vom Analysehaus Jefferies. Dazu kämen erwartungsgemäß vorsichtige Aussagen zum Ausblick. Insgesamt werte er die Nachrichten negativ.
Sehr schwach zeigten sich im SDax auch die Papiere des Medizin- und Sicherheitstechnikkonzerns Drägerwerk mit minus 5,7 Prozent. Wegen zunehmender Schwierigkeiten bei der Lieferung elektronischer Bauteile sei nur noch das Erreichen des unteren Endes des Prognosebandes zu erwarten, teilte die Lübecker mit. Ein Händler ließ kein gutes Haar am Unternehmen: Schlichtweg katastrophal, so sein Urteil. In der Pandemie sei es für Drägerwerk ausnahmsweise mal gut gelaufen, diese Phase sei nun aber vorbei.
Die Titel des Online-Gebrauchtwagenhändlers Auto1 steckten mit einem Plus von mehr als zwölf Prozent ihre Vortagesschwäche problemlos weg. Ferner verteuerten sich die Aktien des Südzucker-Konzerns und dessen Tochter Cropenergies nach Eckzahlen und Aussagen zum weiteren Geschäftsverlauf um 3,6 beziehungsweise 5,1 Prozent.
Der Euro gab nach den EZB-Entscheidungen nach. Zuletzt kostete die Gemeinschaftswährung 1,0877 US-Dollar. Die EZB hatte den Referenzkurs am Mittwoch auf 1,0826 Dollar festgesetzt. Am Rentenmarkt fiel die Umlaufrendite von 0,72 Prozent am Vortag auf 0,68 Prozent. Der Rentenindex Rex stieg um 0,17 Prozent auf 136,85 Punkte. Der Bund-Future stand 0,03 Prozent höher auf 155,50 Punkten.
dpa-AFX