JÖRG KRÄMER, COMMERZBANK-CHEFVOLKSWIRT:



"Die Verschuldung von Unternehmen und privaten Haushalten in China ist in den vergangenen fünf Jahren von 130 auf 180 des Bruttoinlandsproduktes gestiegen. Der Schuldenstand ist einer der höchsten in den Schwellenländern. Dazu kommt ein Überangebot am Immobilienmarkt. Die Konjunkturabkühlung in China geht daher vom Immobilienmarkt aus. Ein weiteres Risiko besteht darin, dass die Unternehmen mit dem Schuldenabbau beginnen.

Das Wachstum der deutschen China-Exporte hat sich schon in den letzten drei, vier Jahren verlangsamt. Den Unternehmen ist es aber bislang gelungen, das mehr als zu kompensieren - durch bessere Geschäfte in den USA, in Westeuropa und durch den Konsumaufschwung in Deutschland. Da sich China aber weiter abkühlen wird, dürfte es für die deutschen Unternehmen immer schwieriger werden, anderswo noch etwas draufzusetzen. So ist Westeuropa zwar aus Rezession, aber noch weit entfernt von einem Boom. Ich sehe zwar noch keine Abwärtsrisiken für unsere Wachstumsprognose von 1,8 Prozent für dieses Jahr - wohl aber für 2016. Auch hier gehen wir bislang von 1,8 Prozent aus. Auf die mittlere Sicht wird sich die deutsche Wirtschaft von der Schwäche in China nicht mehr abkoppeln können."



ALEXANDER KRÜGER, CHEFVOLKSWIRT BANKHAUS LAMPE:



"In China sinken die Wohnimmobilienpreise. Das belastet den Konsum und die Kreditvergabe der Banken. Deshalb gibt es dort eine Wachstumsabflachung. Die weiche Landung wird etwas härter. China hat aber genug Möglichkeiten, um gegenzusteuern. Die Regierung kann und wird etwas tun. Sie hat genug Munition.

Das deutsche Exportwachstum wird auch wegen China eher moderat ausfallen. Das ist kein dynamischer Aufschwung. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt dürfte in diesem Jahr noch um 1,7 Prozent zulegen, 2016 dürften es aber nur noch etwa 1,4 Prozent werden. Es gibt zu viele weltwirtschaftliche Risiken.

Die Weltwirtschaft wird nicht so toll wachsen in diesem Jahr. China ist hier ein Schwergewicht. Es setzt sich die Ansicht durch: In der Welt fehlen überall Strukturreformen, die Schulden sind viel zu hoch - auch in etlichen Schwellenländern. Und zwar nicht nur die des Staates, sondern auch die der Unternehmen und privaten Haushalte. Es gibt derzeit keine gesunde Wachstumsbasis. Die Notenbanken halten das Wachstum derzeit am Leben."



MARCO BARGEL, POSTBANK-CHEFVOLKSWIRT:



"Die Dax-Reaktion halte ich für etwas übertrieben. China ist wichtig für die deutsche Wirtschaft, gar keine Frage. Besonders für die Auto- und Maschinenbauer ist es ein wichtiger Absatzmarkt. Aber die chinesische Wirtschaft stürzt nicht ins Bodenlose. Die vielen Maßnahmen, die Regierung und Zentralbank gegen die Konjunkturabkühlung eingeleitet haben, werden mit zeitlicher Verzögerung wirken. China hat zudem noch viel Pulver übrig. Das kann etwa dazu genutzt werden, um die Kreditvergabe anzukurbeln. Auch ist China nur gering verschuldet, weshalb von staatlicher Seite viel Geld in die Hand genommen werden kann, um das Wachstum zu stützen.

Die Auftragseingänge der deutschen Industrie zeigen zudem: Das schwächere China-Geschäft wird kompensiert durch die gute Nachfrage aus den USA, Großbritannien und europäischen Nachbarstaaten."



TOBIAS BASSE, NORDLB:



"Wir gehen weiterhin davon aus, dass es in China nicht zu einer 'harten Landung' kommen wird. Ein regelrechter Einbruch der Konjunktur im Reich der Mitte droht somit wohl nicht. Insofern mag die aktuelle Bewegung am globalen Aktienmarkt eine Überreaktion darstellen. Der Kursverfall bei den Dividendenpapieren sorgt nämlich in der Tat dafür, dass viele Aktienmärkte fundamental nun nicht mehr teuer sind. Wenn die negative Stimmung - zum Beispiel aufgrund der Handlungen der Geldpolitiker - dreht, dürften also Schnäppchenjäger die Oberhand gewinnen. Insofern sind wir mit Blick auf die kommenden drei bis sechs Monate schon optimistisch."

Reuters