Nun ist es so weit. Zum ersten Mal seit 2015 haben die gesetzlichen Krankenkassen im vergangenen Jahr viel mehr Geld ausgegeben als eingenommen. Laut einer Hochrechnung der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", die wenig später von den Kassenverbänden bestätigt wurde, haben alle gesetzlichen Kassen 2019 zusammen rund 1,6 Milliarden Euro Miese gemacht. 2018 stand unterm Strich noch ein Überschuss von fast zwei Milliarden Euro. Über die Hälfte des gesamten Minus meldete der Verband der Ersatzkassen, nachdem dessen Mitglieder 2018 noch einen Überschuss von 561 Millionen Euro erzielt hatten.

Bei den Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) als mitgliederstärkster Gruppe in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) lag das Minus nur bei rund 120 Millionen Euro. "Ganz wesentlich dafür ist der Ausgabenzwang, den Bundesgesundheitsminister Jens Spahn den Kassen auferlegt hat", sagt Thomas Adolph vom Portal kassensuche.de. "Es wurden und werden weiterhin sehr teure Leistungen eingeführt, die die Kassen nunmehr regulär zahlen müssen." Als Beispiel nennt er das Terminservicegesetz, das Patienten Termine innerhalb einer bestimmten Zeit garantieren soll, oder vor allem das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz, das dafür sorgen soll, dass Pflegekräfte nicht nur mehr verdienen, sondern auch mehr Fachleute eingestellt werden.

Entscheidend aber ist das GKV-Versichertenentlastungsgesetz. Es verpflichtet die Kassen, ihre Reserven innerhalb gewisser Fristen auf die Mindestreserve von einer durchschnittlichen Monatsausgabe abzuschmelzen. Das heißt, die Kassen müssen mehr ausgeben, als sie einnehmen. "Das ist ein klares Defizit, was aber durch das Abschmelzen von Reserven bei vielen Kassen gedeckt wird", sagt Branchenkenner Adolph. Doch er weiß auch, dass manche Kassen in den vergangenen Jahren durch die gute Konjunktur und andere Effekte sehr hohe Reserven haben.

Bei der AOK Sachsen-Anhalt würde sogar ein Zusatzbeitrag von null nicht ausreichen, um ihre Reserven auf das geforderte Mindestmaß zu schrumpfen. "Solche Kassen werden ihren Versicherten mehr Leistungen anbieten - zumindest so lange, bis die Mindestreserve erreicht ist. Dann wird es sicherlich wieder anders aussehen", so Adolph.

Unterm Strich muss der Zwang zum Geldausgeben für gesetzlich Versicherte nichts Schlechtes bedeuten, zumindest auf absehbare Zeit. Anders als oft angenommen dürfen Krankenkassen neben dem gesetzlich festgelegten Leistungskatalog, den sie ihren Versicherten garantiert bieten müssen, auch Extras im Programm haben. Daher lohnt es sich für alle der 72 Millionen gesetzlich Versicherten hierzulande, von Zeit zu Zeit zu schauen und zu vergleichen, welche Extra- Leistungen ihre Krankenkasse bietet. Das Gute im Vergleich zur privaten Krankenversicherung: Wird die Extra-Leistung aus welchen Gründen auch immer gekürzt, können Versicherte recht einfach und unkompliziert ihrer Kasse den Rücken kehren und zur einer anderen wechseln, die das gewünschte Extra noch bietet (siehe "Abschied leicht gemacht").

Welche Krankenkasse bietet nun am meisten? Hierzu hat €uro gemeinsam mit kassensuche.de die 78 für die Allgemeinheit geöffneten Kassen untersucht. Betriebsbezogene Kassen blieben im Vergleich außen vor. Das Gesamtergebnis (siehe unten) zeigt, es gibt nicht die Kasse, die alles bietet und überall spitze ist, aber eine ganze Reihe kommt dem Ideal schon recht nahe.

So schaffte es die HEK (Hanseatische Krankenkasse) auf den ersten Platz, ihr folgten die Securvita, die allerdings nicht in Brandenburg, Bremen und dem Saarland geöffnet ist, und die TK (Techniker Krankenkasse). Während HEK und TK besonders stark bei der Integrierten Versorgung, sprich speziellen Kompetenzzentren für bestimmte Krankheiten, sind, punktet die Securvita bei Naturheilverfahren. Bei der Zahnversorgung oder bei Bonusprogrammen erreichen andere Kassen, im konkreten Fall die BKK VBU sowie die DAK und die in Sachsen und Thüringen geöffnete AOK Plus, mehr Punkte als die drei Top-Platzierten. Die günstigste Kasse, die AOK Sachsen-Anhalt, schafft es im Test ins Mittelfeld. Die hkk ist die einzige unter den günstigen Kassen, die es auch in Sachen Leistung in die Spitzengruppe schafft.

Im Langfrist-Vergleich, der die Ergebnisse der €uro-Leistungstests der vergangenen neun Jahre zusammenfasst, zeigt sich, dass HEK, TK und Securvita stets unter den Besten landeten. Die DAK legte in jüngster Zeit wieder bei der Leistung zu. Gleiches gilt für die Barmer, die nach der TK zweitgrößte Krankenkasse, die nach einigen mageren Jahren nun wieder mehr Leistung bietet.

So lesen Sie die Tabellen


Damit Sie aus den insgesamt 78 für die Allgemeinheit geöffneten Kassen die für Sie passende Krankenkasse finden, haben wir diese in zwei große Gruppen eingeteilt: In der ersten finden sich bundesweit aktive Kassen, die entweder mit Geschäftsstellen in ganz Deutschland vertreten sind oder die für Menschen aus allen Bundesländern online geöffnet sind. Die zweite Gruppe sind regionale Kassen, die lediglich in einem oder mehreren der insgesamt 16 Bundesländer aktiv sind. Bewertet haben wir die Kassen in sieben Bereichen. Die Daten mit Stichtag 16. Februar 2020 stammen von dem Internetportal gesetzlichekrankenkassen.de

Sind Leistungen in einem Budget zusammengefasst (von den Krankenkassen oft "Gesundheitskonto" genannt), hat dies zu Abwertungen geführt und es wurde ein Faktor für das Globalbudget angewendet. Er berechnet sich aus der Anzahl der im gemeinsamen Budget enthaltenen Leistungen. Beginnend mit 0,9 für zwei enthaltene Leistungen, kann dieser bis 0,2 für mehr als 20 Leistungen reichen.

Zudem wurde auch ein Regionalfaktor eingeführt. Sollte eine Leistung nur über eine zweckgebundene Prämie aus dem Bonusprogramm nicht mehr voraussetzungslos finanziert werden, so wurden hier lediglich 10 Prozent der maximalen Punktzahl vergeben. Bietet eine Krankenkasse ihre Leistung nicht im gesamten Versorgungsgebiet an, so wurde die maximal erreichbare Punktzahl durch das Ergebnis folgender Rechnung geteilt: Anzahl der Bundesländer, in denen die Leistung angeboten wird, geteilt durch die Anzahl der Länder im Versorgungsgebiet der Kasse.

Bonus-/Vorteilsprogramme:
Es wurde für insgesamt 25 Bonusbereiche abgefragt, ob in diesen jeweils ein (finanzieller) Bonus für Aktivitäten gewährt wird (etwa Mitgliedschaft im Sportverein). Für jeden Bereich gab es einen Punkt, maximal also 25 Punkte (100 Prozent). Zudem wurde gefragt, wie hoch der maximale Geldbonus (keine Sach- oder zweckgebundenen Prämien) ist, den Erwachsene und deren So lesen Sie die Tabellen mitversicherte Kinder je Jahr erzielen können.

Der Bonus wurde in einen Prozentwert umgerechnet (Erwachsene größer/ gleich 200 Euro = 100 Prozent, Minderjährige größer/gleich 100 Euro = 100 Prozent). Zusätzlich wurde betrachtet, wie viele Maßnahmen vom Versicherten absolviert werden müssen, um die maximale Geldprämie zu erhalten. Dazu wurde der durchschnittliche Geldbonus je Maßnahme betrachtet (Erwachsene größer/gleich 40 Euro = 100 Prozent, Minderjährige größer/ gleich 25 Euro = 100 Prozent), niedrigere Prämien jeweils anteilig.

Die Höhe der Geldprämie sowie die Anzahl der erforderlichen Maßnahmen wurden mit je 50 Prozent gewichtet. Bei den Vorteilsprogrammen für kostenbewusstes Verhalten wurde für drei Bereiche abgefragt, ob es dort für die Mitglieder der jeweiligen Krankenkasse finanzielle Vorteile gibt. Diese werden von einzelnen Kassen gewährt, etwa bei ausschließlicher Nutzung bestimmter Apotheken, Generika oder Hilfsmittel. Je Bereich gab es einen Punkt, also maximal drei Punkte. Schließlich wurden die Prozentwerte addiert und durch vier geteilt.

Gesundheitsförderung:
Hier wird unterstützt, wenn Menschen gesünder leben. Diese Gesundheitsförderung wird in Form von Schulungskursen erbracht. Leistung je Handlungsfeld: Maximal dürfen die Kassen ihren Kunden im Jahr zwei Kurse von Fremdanbietern erstatten. Ist dies der Fall, gab es einen Punkt. Wird lediglich ein Kurs erstattet, gab es nur einen halben Punkt. Ebenfalls mit einem halben Punkt wurde bewertet, wenn auch ein zertifiziertes Onlineprogramm im Angebot ist.

Prozentuale Erstattung je Handlungsfeld: Sie setzt sich aus der prozentualen Erstattungshöhe pro einzelner Maßnahme und dem maximalen Erstattungsbetrag pro Maßnahme zusammen. Formel: Erstattungshöhe mal -betrag geteilt durch 50. Ab einem Ergebnis von 250 gab es die vollen fünf Punkte. So wird deutlich, dass etwa 90 Prozent Erstattung bis 250 Euro mehr wert sind als 100 Prozent Erstattung bis 100 Euro. Bei Kursen fremder Anbieter wurde das gleiche Schema angewendet.

Integrierte Versorgung:
Das Ziel ist hier, Patienten mit klar definierten Krankheiten besser zu behandeln. Dazu schließen Krankenkassen mit Kliniken und anderen Gesundheitseinrichtungen Verträge zu speziellen Krankheitsbildern ab. Patienten können so bei bestimmten Krankheiten auf ein mehr oder weniger großes Expertennetzwerk zurückgreifen. In dieser Kategorie wurden insgesamt 82 Indikationen abgefragt. Wird im Versorgungsgebiet von der jeweiligen Kasse ein solcher Vertrag für eine Indikation angeboten, gab es einen Punkt, maximal also 82 (100 Prozent).

Naturheilverfahren:
Unterteilt wurde die Bewertung in zwei gleich gewichtete Bereiche. Der erste Bereich bildet mit Homöopathie (Medikamente sowie Therapie), Osteopathie und der Traditionellen Chinesischen Medizin die mit Abstand am häufigsten nachgefragten Naturheilverfahren ab. Weitere elf Naturheilverfahren (beispielsweise die Anthroposophie, Chelattherapie oder auch Irisdiagnostik) bildeten in Summe den zweiten Bewertungsblock und wurden nicht mehr namentlich erwähnt. Maximal konnten in beiden Bereichen jeweils 100 Prozent erreicht werden, die für das Gesamtergebnis zusammengezählt und dann durch zwei geteilt wurden.

Vorsorge:
Es werden zehn verschiedene Arten von Vorsorgeuntersuchungen sowie die hausarztzentrierte Versorgung bewertet, die entweder gar nicht oder erst in einem späteren Altersabschnitt als Regelleistung angeboten werden. Je Vorsorgeuntersuchung, die im gesamten Versorgungsgebiet angeboten wird, gibt es einen Punkt. Maximal konnten elf Punkte erreicht werden. Für das Gesamtergebnis wurde das hier erzielte Ergebnis Vorsorge der jeweiligen Kasse durch elf geteilt.

Zahnversorgung: Zahnbehandlungen sind teuer; da ist es finanziell besonders vorteilhaft, wenn die Krankenkasse möglichst viele Behandlungen zahlt. Grundsätzlich gilt: Übernimmt eine Kasse eine Behandlung komplett, dann gab es einen Punkt. Die Höhe des Zuschusses zu einer professionellen Zahnreinigung wird rein informativ erwähnt. Maximal waren hier zehn Punkte erreichbar (100 Prozent).

Zusatzleistungen:
Kassen bieten auf einigen Gebieten oft auch Leistungen an, die in Art und Umfang das gesetzlich vorgeschriebene Maß übersteigen. Es wurden elf Bereiche betrachtet und bewertet, wobei Haushaltshilfen darin gleich doppelt vorkommen: einmal für Haushalte, in denen auch ältere Kinder leben, und einmal für solche ohne Kinder. Je Zusatzleistung, die im gesamten Versorgungsgebiet von der jeweiligen Krankenkasse angeboten wird, gab es einen Punkt.

Gesamtergebnis:
In dieses flossen die sieben aufgeführten Bereiche gleichgewichtet ein. Dabei wurde für jeden Bereich berechnet, wie viel Prozent der Maximalpunktzahl (= 100 Prozent) die jeweilige Kasse erreicht hat. Dieser Wert wurde mittels eines Schlüssels in €uro-Noten umgerechnet. Zusätzlich werden in der Kategorie "Beitrags-Rating" die Kassen mit bis zu drei Bonussternen für günstige Beitragssätze ausgezeichnet. Für jeden Stern erhält die Kasse 2,5 Prozent Bonus zusätzlich zu jedem Leistungsergebnis. Die Zusatzprozente sind schon jeweils in den Leistungsbereichen mit eingerechnet.

Die Sterne wurden wie folgt vergeben:
Beitragssatz unter 15,0 %: 3 Sterne
ab 15,0 % bis 15,39 %: 2 Sterne
ab 15,4 % bis 15,79 %: 1 Stern
ab 15,8 %: kein Stern
Um die Gesamtnoten besser differenzieren zu können, wurden bei den Noten Nachkommastellen angegeben. Dafür galt folgendes Wertungsschema:

Langfristauswertung:
Wer seine Krankenkasse nicht ständig wechseln will, findet im Kasten auf der linken Seite die Krankenkassen, die im €uro-Test auch auf lange Sicht überzeugt haben.

Individuelle Kassensuche:
Unser Datenlieferant bietet auf seinem Portal gesetzlichekrankenkassen. de eine interaktive Suchfunktion. Dadurch können Interessierte exakt die Krankenkassenleistungen herausfiltern, die sie persönlich für besonders wichtig erachten. Die Suchmaschine zeigt dann als Ergebnis die Krankenkassen an, die alle individuell gewünschten Leistungen offerieren.

Kassenwechsel: Abschied leicht gemacht


Seit 1996 können gesetzlich Versicherte ihrer Krankenkasse jederzeit den Rücken kehren und zu einer günstigeren oder leistungsstärkeren Kasse wechseln. Für die schriftliche Kündigung gilt lediglich eine Frist von zwei Monaten zum Monatsende. Interessenten können unter allen Anbietern wählen, die sich in dem Bundesland, in dem sie wohnen oder arbeiten, der Allgemeinheit geöffnet haben. Ablehnen darf eine Kasse Wechsler nicht. Auch Gesundheitsprüfungen wie bei anderen Versicherungen gibt es keine.

An ihre neue Kasse sind Wechsler 18 Monate lang gebunden - es sei denn, diese erhöht den Beitrag, fordert einen Zusatzbeitrag oder senkt ihre Beitragsprämie. Dann gilt ein Sonderkündigungsrecht, auch für diejenigen, die noch keine 18 Monate dabei sind. Länger warten müssen Mitglieder, die sich in einen Wahltarif für Krankengeld eingeschrieben haben. An diese Tarife sind Kunden drei Jahre lang gebunden.

Für alle anderen Wahltarife gilt seit 2011 das normale Kündigungsrecht. Angst, eine Zeit lang nicht krankenversichert zu sein, braucht niemand zu haben. Wer keine neue Kasse findet, bleibt automatisch in seiner bisherigen. So stellt der Gesetzgeber sicher, dass auch Wechsler immer versichert sind. Privatversicherte können nur sehr eingeschränkt in die gesetzliche Krankenversicherung zurück. Versicherte unter 55 Jahren, die sich wieder gesetzlich versichern wollen, müssen ein Bruttojahreseinkommen unter der aktuellen allgemeinen Versicherungspflichtgrenze von 62 550 Euro nachweisen. Privatversicherte, die älter als 55 Jahre sind und in den vergangenen fünf Jahren mehr als zweieinhalb Jahre privat versichert waren, können nicht in die gesetzliche Krankenversicherung zurück - auch nicht, wenn sie Arbeitslosengeld beziehen.