Dollar-Schwäche ist Amerika-Stärke
Dabei spielt die US-Notenbank den währungspolitischen Erfüllungsgehilfen, sozusagen den Munitionslieferanten. Sie soll dem amerikanischen Außenhandel den Export-Frieden bringen. Zwar deuten die mittlerweile neun Zinserhöhungen der Fed zunächst auf eine hart restriktive Geldpolitik hin. Doch hatte man damit bis zum letzten Jahr gerade mal so die Inflation ausgeglichen. Allerdings haben aktuell fallende Inflationserwartungen die Fed längst veranlasst, verbal die Wende der Zinswende einzuleiten. Auch sprechen einzelne Fed-Direktoren bereits davon, die Entblähung der durch Anleihekäufe aufgeblasenen Notenbankbilanz viel frühzeitiger als bislang geplant zu beenden. Zu stark steigende Zinsen und Renditen sollen dem Dollar bloß nicht wie Red Bull Flügel verleihen.
Tatsächlich würden sich die USA heute mit einem starken Dollar den Ast absägen, auf dem sie sitzen. Die Dollar-Hausse würde die Währungs-Baisse der Schwellenländer einläuten. Kapitalflucht und der Zins- und Tilgungsdienst schnürten den Emerging Markets - die immer noch gerne Schulden in US-Dollar aufnehmen - den Hals zu. Am Ende fehlte den Emerging Markets nicht nur das Geld für Konsum und Investitionen, sondern auch für den Import amerikanischer Produkte und Dienstleistungen.
Damit wäre auch geostrategisch eine Dollar-Stärke für die USA kontraproduktiv, wo sie doch die Pazifikregion zur wichtigsten Kümmer-Region auserkoren haben. Die wegen Währungsschwäche wirtschaftlich verprellten Schwellenländer wären leichte Beute für China, das das Motto ausrufen würde "Kommet zu mir, die ihr beladen seid von amerikanischer Hartwährungspolitik, Peking will euch erquicken". Über süß-saure chinesische Machtpolitik - erst die warmen wirtschaftlichen Schmuseeinheiten, dann die eiskalten Abhängigkeiten - würde China seine Machtposition im pazifischen Raum zuungunsten Amerikas ausbauen. Und so favorisiert Amerika friedliche, unaufgeregte Wechselkursbewegungen der Schwellenländer-Währungen zum Dollar.
Ohnehin ist heutzutage kein starker Dollar mehr nötig, um amerikanische Schuldtitel für ausländische Investoren aufzuhübschen. Die Rolle des willfährigen Financiers hat die US-Notenbank 2008 übernommen und seitdem nicht mehr abgegeben. Peking bietet der US-Notenbank sogar die Bühne dafür. China scheint nämlich immer mal wieder damit zu kokettieren, die in ihrem Besitz befindlichen, umfänglichen US-Staatsanleihen renditeerhöhend und damit konjunktur- und aktienschädlich, aber Dollar-aufwertungsfreundlich auf den Markt zu werfen. Wie gerne würde die KP Amerika zeigen, dass es vielleicht doch kein Land der unbegrenzten finanzpolitischen Möglichkeiten ist. Doch wenn es sein müsste, würde die Fed kämpfen. Für jeden von China verkauften Dollar US-Staatspapier würde sie zwei kaufen.
Insgesamt betreibt Amerika Abwertungsmanöver.
Auch China und Japan haben ihre währungspolitische Unschuld verloren
Doch tritt man den Chinesen nicht zu nahe, wenn man auch ihnen währungsseitige Verbilligungsabsichten, also aggressives Währungs-Dumping zur Exportförderung unterstellt. Der Außenhandel muss eine bedeutende Refinanzierungsquelle für die chinesische Binnenkonjunktur bleiben, die im Augenblick nicht mehr zu verdeckende Risse aufweist. Nicht zuletzt will China so die amerikanischen Strafzölle auf seine Exportgüter auffangen. Dabei ist es nützlich, dass der Yuan nicht frei konvertibel ist, sondern unter der Knute Pekings steht. Die Vision eines freien chinesischen Devisenmarkts, der zu unkontrollierten Aufwertungen des Yuan führt, ängstigt Chinas KP nicht nur, sie verursacht regelrecht Schnappatmung.
In Japan ist die Binnenkonjunktur wegen Überalterung und Überschuldung seit unzähligen Jahren so erbärmlich schwach, dass man sich auch dort den wirtschaftlichen Jungbrunnen "Export" nicht zuschütten lassen will. Und so betreibt Japans NNN - Nippon-Nullzins-Notenbank - angriffslustige Yen-Abwertungspolitik.
Auf Seite 2: Europa spielt nicht den barmherzigen Sankt Martin, der seinen Export-Rock teilt
Europa spielt nicht den barmherzigen Sankt Martin, der seinen Export-Rock teilt
Wenn Amerika seinen Dollar zum Schwächling macht, will Europa seinen Euro nicht zum Herkules machen. Angesichts der weltweiten Wachstumsschwäche will man mit geldpolitischer Gewalt jede weitere Exportbremse bekämpfen. Daher denkt die EZB nicht über Entblähungen ihrer bis zum Bersten mit Anleihen gefüllten Notenbankbilanz nach. Selbst kauft sie zwar keine Anleihen mehr, doch wird sie diese von Euro-Banken über die Vergabe großzügiger Liquiditätshilfen kaufen lassen. Liquiditätsverknappung? Nicht mit der EZB!
Es könnte sogar sein, dass wir in Europa den ersten Zinszyklus ohne Zinserhöhungen erleben werden. Schwache Inflationsaussichten sowie nicht enden wollende Polit-, Banken-, Finanz- und Schuldenkrisen sind für die EZB willkommene Anlässe, um geldpolitisch weiter üppig zu intervenieren.
Die dicke Bertha wird überall eingesetzt
Nach der Mobilmachung der USA im Währungsabwertungskrieg ist der Export-Darwinismus weltweit ausgebrochen. Welcher Politiker in Deutschland stört sich denn noch ernsthaft daran, dass Euro und EZB entgegen aller anfänglichen Versprechungen doch nicht so stabil wie D-Mark und Deutsche Bundesbank sind? Für Außenhandel und Wirtschaftswachstum des Vaterlands wirft man doch gerne seine früheren friedfertigen Überzeugungen über Bord.
Allerdings, wenn alle ihre Währungen schwächen, wird am Ende keine Währung wirklich schwach sein können. Wechselkurse werden ja immer X gegen Y gerechnet. Der Kampf um die schwächste Währung ist also nicht zu gewinnen. Dennoch versuchen es alle unbeirrt weiter. Das erklärt auch die seit Jahren fallende Schwankungsbreite von Wechselkursen.
Resultat ist ein anhaltendes Ersaufen der Finanzmärkte in zinsgünstiger Liquidität. Damit bleiben Zinspapiere - vor allem nach Inflation - so attraktiv wie Karies und Parodontose.
Dagegen hält der globale Währungsabwertungskrieg die Liquiditätshausse am Aktienmarkt intakt.
Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank.