Der Wert des Shiller-KGV
· Börse Online RedaktionOb es bald an den Aktienmärkten crashen wird? Oder ob sie noch viele weitere Jahre von Hoch zu Hoch eilen? Niemand weiß das wirklich, und Prognosen sind meist wenig zielführend. Als Investor sollte man nicht versuchen, die Zukunft vorherzusagen, sondern Geld zu verdienen - und das mit möglichst wenig Risiko. Meb Faber, der Autor des Buchs "The IVY Portfolio", hat vor einem Jahr einen provokativen Blog-Beitrag verfasst, in dem es heißt: "780 Prozent - das ist die Summe an Gewinnen, die Sie verpasst hätten, wenn Sie in den vergangenen 25 Jahren der sogenannten CAPE-Ratio-Strategie zum Markttiming gefolgt wären." Der Beitrag ist - wie erwähnt - schon älter, und aus den 780 Prozent wäre mittlerweile noch mehr geworden.
Aber klären wir zunächst, was es mit dem mysteriösen CAPE-Ratio - die bekanntere Bezeichnung ist Shiller-KGV - auf sich hat: Vereinfacht ausgedrückt ist es das durchschnittliche, inflationsbereinigte Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des Aktienmarkts. Basis sind die Gewinne pro Aktie, über zehn Jahre gemittelt. Die Jahresgewinne werden mithilfe des Konsumentenpreisindex (CPI) um die Inflation bereinigt und an den heutigen Dollarkurs angeglichen. Das CAPE-Ratio erhält man also, indem man den Indexstand durch die inflationsbereinigten durchschnittlichen Gewinne der vergangenen zehn Jahre teilt.
Aufgrund der Erfahrungswerte der vergangenen 140 Jahre hat sich ein Shiller-KGV von 20 als Obergrenze für eine vertretbare Marktbewertung herauskristallisiert. Diese Grenze wurde 1992 überschritten. Was Meb Faber mit den verschenkten 780 Prozent meint, ist der Unterschied zwischen dem Anstieg des US-Leitindex S & P 500 seit dieser Zeit und dem Nichtinvestiertsein (etwa das Geld unters Kopfkissen legen). Doch so einfach ist es nicht, wie er selbst zugibt. Unterstellt man, dass das Geld in den Zinsmarkt geflossen wäre - beispielsweise in 30-jährige US-Staatsanleihen - wäre immerhin noch eine Rendite von 682 Prozent herausgekommen. Aufs Jahr gerechnet ist der Unterschied gar nicht so groß: Der S & P 500 hätte 9,0 Prozent per annum abgeworfen, die Staatsanleihen 8,4 Prozent. Und das bei wesentlich ruhigerem Schlaf. Der größte Rückschlag 30-jähriger US-Bonds betrug 25 Prozent, beim S & P 500 waren es über 50 Prozent.
Mit flexiblem Umschichten wäre die Rendite bei abnehmendem Risiko sogar noch deutlich gestiegen - das ist übrigens die eigentliche Idee von Meb Fabers Blog-Beitrag: Jedes Mal wenn das Shiller-KGV über 20 steigt, verabschiedet man sich aus dem Aktienmarkt und kauft 30-jährige Staatsanleihen. Sobald das CAPE-Ratio unter 20 fällt, kehrt man an den Aktienmarkt zurück. Dieses einfache Rotationsprinzip hätte in den vergangenen 25 Jahren eine Gesamtrendite von 1027 Prozent (oder 10,3 Prozent pro Jahr) gebracht, größter Rückschlag nur 23,5 Prozent.
Doch es kommt noch besser: Zum Glück besteht die Welt nicht nur aus US-Aktien und US-Anleihen. Ein verständiger Investor wird seine Anlagestrategie nicht auf ein einzelnes Land beschränken, auch wenn dieses für die Weltwirtschaft die wichtigste Rolle spielt. Daher die Frage: Was passiert eigentlich, wenn wir die US-Anleihen im vorhin beschriebenen CAPE-Rotationssystem durch die gerade am günstigsten bewerteten Aktienmärkte ersetzen? Nehmen wir an, das Geld wird paritätisch auf jenes Viertel der Aktienmärkte mit dem günstigsten CAPE-Ratio verteilt. Das Ergebnis spricht für sich: Die jährliche Rendite steigt auf 14,5 Prozent. Ein nach dieser Methode gesteuertes Gesamtportfolio hätte seit 1992 also um 2520 Prozent zugelegt. Einziger Wermutstropfen gegenüber den Anleihen wäre der größte Rückschlag von 39,6 Prozent gewesen, der aber immer noch geringer ist als die 50 Prozent, um die der US-Aktienmarkt in seiner schlimmsten Phase nachgab. Etwas provokativ könnte man also behaupten, dass Anleger, die nur am US-Aktienmarkt engagiert waren, seit 1992 rund 1740 Prozent verschenkt haben.
Urban Jäkle ist Trading-Coach und Autor des Buchs "Trading Systems". Er handelt seit knapp 25 Jahren Aktien und seit über 20 Jahren Futures. Er war auf dem Parkett der Chicago Mercantile Exchange tätig und hat jahrelang institutionelles Geld mit Daytrading-Handelssystemen auf Futures verwaltet. Sein nächstes Seminar findet am 24. März in Darmstadt statt. Mehr zur Person finden Sie auf der Internetseite www.Urban-Stocks.com