"Die Deutsche Bank ist ein Koloss auf tönernen Füßen."

Ingo Speich, Portfolio-Manager bei Union Investment, bringt das Problem der Deutschen Bank auf eine Formel: Sinkende Erträge und hohe Kosten. Die Deutsche Bank sei in einer Negativdynamik gefangen, führt er aus, die Ratingagenturen erhöhten den Druck, der Aktienkurs sei ein Desaster. Als Ursache sieht er eine Fehlallokation im Geschäftsmodell. Die Bilanzsumme im Investmentbanking stehe in keinem Verhältnis zu Marktkapitalisierung und Profitabilität. Besorgniserregend sei, dass es die Deutsche Bank trotz starker Konjunktur nicht gelänge, die Erträge zu steigern. Wie groß das Problem sei, werde sich offenbaren, wenn die Wirtschaftsdynamik nachlässt und die Zahl ausfallender Kredite steigt - aber die Zinsen weiter niedrig sind. Speich malt sogar das Szenario einer Notfusion an die Wand: "In einem Stress-Szenario könnte der Druck so groß werden, dass eine Zerschlagung oder eine 'Notfusion' mit einer anderen Bank unumgänglich wird."

"Die Wettbewerber sind weit enteilt."

Speich spricht hier unter anderem auf das Abrutschen der Deutschen Bank im Ranking der Top-Investmentbanken auf Platz 10 an. Während US-Großbanken wie JP Morgan Rekorderträge einfahren, verliert die Deutsche Bank Marktanteile.

"Überlässt man den Wölfen das Führen der Schafherde, braucht man sich am Ende nicht wundern, wenn keine Schafe mehr da sind."

Klaus Nieding, Vizepräsident des Aktionärverbands DSW, kritisiert die Boni in Höhe von zwei Milliarden Euro, welche die Bank vor allem an Investmentbanker vergibt - während "wir Aktionäre mit zehn Prozent der Summe abgespeist werden." Die Deutsche Bank hatte die Boni damit begründet, dass man nur so Personal halten könne. Nieding empfiehlt, die "Söldner", die der Bank Schaden zugefügt hätten, dafür gesorgt hätten, dass das Geld aus den letzten Kapitalerhöhungen verbrannt hätten und kein Corpsgeist hätten, ziehen zu lassen.

"Eine weitere Chance zum personellen Umbau wird man Ihnen nicht geben."

Nieding begrüßt Sewing als neuen Mann an der Spitze. Gleichzeitig weist er aber Achleitner darauf hin, dass nach Anshu Jain und Jürgen Fitschen, dann John Cryan und jetzt Christian Sewing ein weiterer Vorstandswechsel ein Tabu ist.

"Die Deutsche Bank muss sich weniger um sich selbst drehen und sich mehr um die Kunden und das operative Geschäft kümmern."

Andreas Thomae, Portfolio-Manager der Deka, hätte gerne Zeitpunkte: Wann sollen die von Sewing geplanten Ziele erreicht werden? Wie soll alles passieren? Werden die dafür geplanten 800 Millionen Euro Restrukturierungsaufwendungen diesmal ausreichen? Er mahnt, dass eine weitere Subventionierung von Segmenten nicht weiter toleriert würde. Weil der Umbau der Bank bereits sechs Jahre andauert, spricht er sich gegen eine Entlastung des Aufsichtsrats aus.

"Die Dividende für das vergangene Jahr beträgt 11 Cent. Tut mir leid!"

Achleitner entschuldigt sich für die Mini-Dividende. Ein kleiner Trost in Anbetracht der Verluste der Anleger, die mehrere Kapitalerhöhungen über sich ergehen lassen und Kursverluste von 36,3 Prozent in den letzten zwölf Monaten verkraften mussten.

"Wir mussten handeln - auch wenn es ursprünglich nicht unsere Absicht war, so schnell den Wechsel herbeizuführen."

Aufsichtsratschef Paul Achleitner nimmt detailliert zur Abberufung John Cryans als Vorstandsvorsitzender und die Entscheidung für Christian Sewing Anfang April Stellung. Die Suche nach einem Nachfolger war an Ostern publik geworden, als John Cryan noch versicherte, seinen Job weiterführen zu wollen. Sechs Tage nach den ersten Medienartikeln, in denen auch mehrere Namen kursierten, bestellte der Aufsichtsrat Sewing zum neuen Chef. Die Berichte hätten mit der Wahrheit wenig oder gar nichts zu tun, sagte Achleitner, sie hätten der Bank lediglich geschadet und die Entscheidung beschleunigt. Für die Medienschelte rügt ihn später ein Aktionär. Der 47-jährige Sewing, der auf 27 Jahre Karriere bei der Deutschen Bank zurückblicken kann, sei kein Verlegenheitskandidat gewesen: "Christian Sewing ist unsere erste Wahl. Wir haben uns weder für ihn entschieden, weil er Retail-Banker ist, noch weil er Investmentbanker ist, sondern weil er Deutschbanker ist."

"Es hatte den Anschein, dass Ausnahmen häufiger angewendet wurden als die Regeln."

Achleiter äußert sich zu Konflikten innerhalb des Vorstands. Gute Pläne und versprochene Maßnahmen seien nicht diszipliniert und konsequent genug umgesetzt worden. Achleitner kritisiert hier vor allem die Entwicklung der Kosten in Personalbereich. Diese waren 2017 gestiegen. Für das Geschäftsjahr hatte die Deutsche Bank auch wieder Boni verteilt - während die Aktionäre mit einer minimalen Dividende von 11 Cent abgespeist werden sollen.

"Wir stehen zu unserer Unternehmens- und Investmentbank. (...) Das ist keine Finanzakrobatik, das hat nichts mit Zockerei zu tun."

Viel hatten sich die Aktionäre vom neuen Vorstandschef und ehemalige Privat- und Firmenkundenvorstand Christian Sewing zur Sanierung des Investmentbankings versprochen. "Wir hätten uns schon auf der Hauptversammlung konkretere Ankündigungen gewünscht", sagt Portfolio-Manager Ingo Speich von Union Investment. "Investoren brauchen klare Meilensteine, wie sich die Ankündigungen auf die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung auswirken." Aber ein paar Informationen gab es durchaus.

In den vergangenen sieben Wochen hat sich die Deutsche Bank von 600 Mitarbeitern im Segment getrennt, aber insgesamt sollen mindestens 7000 gehen müssen - vor allem im Zinsgeschäft und Aktienhandel. Insgesamt will Sewing die Bilanzvolumen bis Ende 2019 von aktuell 1,05 Billionen Euro um mehr als 100 Milliarden zu reduzieren.

"Wir erwarten, dass wir im Privat- und Firmenkundengeschäft unsere Erträge nachhaltig steigern werden - während wir gleichzeitig wie geplant die Kosten senken. Das Resultat wird eine Eigenkapitalrendite deutlich über zehn Prozent sein."

Am kommenden Wochenende steht fest: Postbank und Deutsche Bank sind eins, die Fusion wird rechtlich durchgeführt. Über wachsende Erträge aus dem Geschäft mit insgesamt 20 Millionen Kunden und sinkende Kosten - etwa durch die Schließung von 72 Filialen in 2017 - will Sewing das Kosten-Ertrags-Verhältnis unter 65 Prozent drücken. Noch 2015 gab die Deutsche Bank in diesem Segment mehr aus, als Erträge hereinkamen, 2017 lag die Quote bei 94 Prozent. Es gibt also viel zu tun, bis auch die aktuell bei zwei Prozent liegende Eigenkapitalrendite über zehn Prozent zu bringen.

"Es steht schon jetzt fest, dass der begonnene Ausbau das Ergebnis in diesem Jahr beeinträchtigen wird."

800 Millionen Euro soll der geplante Umbau in diesem Jahr kosten. Auf die eingedampften Geschäfte im Unternehmens- und Investmentbanking dürften Abschreibungen fällig werden. Sprich: 2018 könnte die Deutsche Bank zum vierten Mal in Folge einen Verlust schreiben.