Das ist der stärkste Rückgang seit Beginn der vierteljährlichen Berechnungen im Jahr 1970, da sowohl der Außenhandel als auch Konsum und Investitionen heftig einbrachen. Der Rückgang fiel mehr als doppelt so stark aus wie das bisherige Rekordminus von 4,7 Prozent während der Finanzkrise Anfang 2009. Ökonomen hatten nur ein Minus von 9,0 Prozent vorausgesagt. Für das laufende Sommerquartal erwarten sie aber eine Rückkehr zu Wachstum. Wie nachhaltig das sein wird, dürfte vor allem von der Zahl der Neuinfektionen abhängen.

"Nun ist sie amtlich - die Jahrhundertrezession", sagte DekaBank-Ökonom Andreas Scheuerle. Da Europas größte Volkswirtschaft bereits im ersten Quartal wegen der beginnenden Pandemie um 2,0 Prozent geschrumpft ist, befindet sie sich nun auch offiziell in einer Rezession. Davon sprechen Ökonomen, wenn das Bruttoinlandsprodukt mindestens zwei Quartale in Folge gesunken ist. "Was bislang weder Börsencrashs noch Ölpreisschocks geschafft haben, vollbrachte ein 160 Nanometer kleiner Winzling namens Corona", sagte Scheuerle.

Für das laufende dritte Quartal rechnen Volkswirte mit einem deutlichen Wachstum. "Es gibt ermutigende Anzeichen, dass der Tiefpunkt hinter uns liegt", betonte der Chefvolkswirt von Union Investment, Jörg Zeuner. "Industrieproduktion, Einzelhandel und Export haben sich deutlich erholt." Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) sagt für den Sommer ein Plus von knapp sieben Prozent voraus. Das Vorkrisenniveau werde aber erst Ende nächsten Jahres erreicht, sagte IfW-Konjunkturchef Stefan Kooths. "Der krisenbedingte Ausfall an Wirtschaftsleistung in den Jahren 2020 und 2021 dürfte sich auf fast 400 Milliarden Euro summieren."

"VIEL GEGENWIND FÜR INDUSTRIE"


Die Bundesregierung hat im Kampf gegen die Krise ein 130 Milliarden Euro schweres Konjunkturpaket geschnürt, um der Wirtschaft wieder auf die Beine zu helfen. So wurde die Mehrwertsteuer bis Jahresende von 19 auf 16 Prozent gesenkt, um den Konsum anzukurbeln. Familien mit Kindern sollen zudem einen Zuschuss bekommen. Allerdings ist die deutsche Wirtschaft wie kaum eine andere vom Exportgeschäft abhängig. "Insbesondere die exportorientierte Industrie muss angesichts der global weiterhin hohen Infektionsdynamik mit viel Gegenwind rechnen", warnte die Chefökonomin der Förderbank KfW, Fritzi Köhler-Geib. Viele Unternehmen dürften deshalb ihre Investitionspläne strecken oder verschieben.

Die Bundesregierung erwartet daher in diesem Jahr die schwerste Rezession der Nachkriegszeit: Das Bruttoinlandsprodukt soll um 6,3 Prozent einbrechen. Das hinterlässt auch Spuren am Arbeitsmarkt: Die Zahl der Arbeitslosen kletterte im Juli auf 2,91 Millionen. Das sind 57.000 mehr als im Vormonat und 635.000 mehr als ein Jahr zuvor, wie die Bundesagentur für Arbeit mitteilte. Etwa 6,7 Millionen Arbeitnehmer bezogen zuletzt konjunkturbedingt Kurzarbeitergeld.

"STAAT ERHÖHTE SEINE AUSGABEN"


Im abgelaufenen zweiten Quartal brachen sowohl die Exporte und Importe von Waren und Dienstleistungen "massiv" ein, wie die Statistiker mitteilten. Aber auch die privaten Ausgaben und die Investitionen der Unternehmen in Ausrüstungen wie Maschinen oder Fahrzeuge wurden erheblich zurückgefahren. "Der Staat erhöhte dagegen seine Konsumausgaben während der Krise", so das Bundesamt.

Die Wirtschaft sieht noch lange keine Rückkehr zum Gewohnten. "Der Weg ist noch lang", warnte allerdings der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Martin Wansleben. Einer DIHK-Blitzumfrage zufolge rechnet die Hälfte der Unternehmen für ihre Geschäfte frühestens im nächsten Jahr mit einer Rückkehr zur Normalität. "International bereiten uns die wirtschaftlichen Auswirkungen der hohen Infektionszahlen in wichtigen Exportmärkten große Sorgen", sagte Wansleben. So steigen die Infektionen in den USA - dem wichtigsten Exportkunden der deutschen Wirtschaft - nahezu ungebremst. Der DIHK ist deshalb viel pessimistischer als die Bundesregierung: Für das Gesamtjahr 2020 rechnen er mit einem Rückgang des Bruttoinlandsproduktes von zehn Prozent. "Das setzt aber eine allmähliche Erholung der hiesigen Wirtschaft und insbesondere keine zweite Welle der Corona-Pandemie in Deutschland voraus", so Wansleben.

rtr