Noch ist der E-Auto-Bauer BYD hierzulande kaum bekannt. In nur wenigen Jahren verspricht Build your Dreams jedoch zum globalen Player aufzusteigen. Tesla, VW, Ford und Toyota erwächst ein starker Konkurrent. Das in der südlichen Shenzen-Region beheimatete Unternehmen verkaufte in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres 641.350 E-Automobile - das entspricht einem Anstieg von 300 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Tesla setzte dagegen im gleichen Zeitraum weltweit nur 564.743 Modelle ab und wurde vom ersten auf den zweiten Platz verdrängt. Bislang hat sich das BYD-Management fast ausschließlich auf den Binnenmarkt konzentriert. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres exportierte das Unternehmen lediglich 3.300 Fahrzeuge. Mittelfristig möchte man aber in Australien, den USA, Europa sowie in Lateinamerika Marktanteile gewinnen. Der Vorteil von BYD ist der Preis. Das günstigste Tesla-Modell kostet umgerechnet 35.000 Dollar, für das billigste BYD-Modell müssen Käufer nach Angaben der "Financial Times" nur 15.000 Dollar aufbringen. Ein weiteres Plus: BYD produziert auch E-Batterien, Elektromotoren und Chips für Autos. Unterbrochene Lieferketten schaden dem Unternehmen daher weniger als der Konkurrenz. Dank der vertikalen Integration fällt es dem Management zudem leichter, die Kosten zu kontrollieren.

Börsenlegende Warren Buffett und Charles Munger haben die Wachstumsperspektiven frühzeitig erkannt. Ihre Investmentholding Berkshire Hathaway stieg bereits im Jahr 2008 bei BYD ein und hielt im Februar 2022 eigenen Angaben zufolge einen Anteil von 7,7 Prozent. Anfang der Woche tauchte das Gerücht auf, Berkshire Hathaway wolle sich teilweise oder komplett zurückziehen. Die Aktie geriet daraufhin kräftig unter Druck. Bislang wurde dies von Berkshire Hathaway jedoch weder kommentiert noch bestätigt. Trotz des jüngsten Rücksetzers legte die BYD-Aktie auf Sicht von drei Monaten immer noch um 31 Prozent zu, in drei Jahren erzielten Anleger 540 Prozent.

Starke Anreize

Der chinesische Staat ist nicht an BYD beteiligt, trägt aber entscheidend dazu bei, dass chinesische Konsumenten verstärkt E-Fahrzeuge von BYD, aber auch von NIO, Xpeng und Geely nachfragen. Die komplette Aussetzung der Kfz-Steuer bis ins kommende Jahr hinein schaffe erhebliche Kaufanreize, schreibt die Ratingagentur Fitch in einem Kommentar. Lokale Behörden wie die in Shenzen fördern den E-Auto-Kauf zusätzlich mit Prämien von bis zu 3300 Euro pro Fahrzeug. Für das laufende Jahr rechnen Experten daher mit einer deutlichen Steigerung der Absatzzahlen von E-Fahrzeugen gegenüber dem Vorjahr.

Spielraum bei der Geldpolitik

Chinas Regierung fördert jedoch nicht nur einzelne Branchen, sondern kurbelt generell die Konjunktur an. Das ermutigt Investoren zum Einstieg, zumal die People’s Bank of China bei einer Inflationsrate von zuletzt 2,5 Prozent im Gegensatz zur US-Notenbank eine lockere Geldpolitik betreiben kann. In den vergangenen drei Monaten legte der CSI 300 - der Index umfasst Unternehmen, die sowohl in Shenzen als auch in Shanghai gelistet sind - 24 Prozent zu. Der Nasdaq Golden Dragon China Index stieg immerhin um acht Prozent. Das Börsenbarometer enthält chinesische Unternehmen, die in den USA notiert sind. Neben finanziellen Hilfen für kleinere und mittlere Unternehmen investiert Peking in den Ausbau der Infrastruktur und insbesondere in den Mobilstandard 5G. Nach Angaben von "People’s Daily Online" wurden im Reich der Mitte bereits über 1,6 Millionen 5G-Stationen errichtet. Bis zum Jahr 2025 sollen insgesamt 3,6 Millionen solcher Stationen die bislang noch bestehenden digitalen Defizite auf dem Land abstellen beziehungsweise die technologische Transformation der chinesischen Wirtschaft vorantreiben. Von der Initiative profitieren vor allem China Telecom und China Mobile. Die Aktien der beiden Unternehmen legten in den vergangenen drei Monaten um 23 beziehungsweise 20 Prozent zu.

Viel Geld fließt auch in grüne Projekte. Bis zum Jahr 2025 sollen erneuerbare Energien 50 Prozent zur gesamten Stromgewinnung beitragen. Bis zum Jahr 2060 will China Klimaneutralität erreichen. Um die Energiewende zu verwirklichen, wird auch der Ausbau von Energiespeichersystemen forciert. Für Unternehmen wie Pylon Technologies oder Guangzhou Great Power Energy ergeben sich dadurch lukrative Aufträge. Peking will mit dem Maßnahmenpaket sicherstellen, dass das für 2022 angestrebte Wachstumsziel von 5,5 Prozent tatsächlich erreicht wird und die Dynamik auch in den kommenden Jahren hoch bleibt. Daran bestehen jedoch Zweifel. Die von der Regierung zur Eindämmung des Coronavirus angeordneten Einschränkungen bremsen den Aufschwung. Schätzungen zufolge befinden sich derzeit über 100 Millionen Chinesen im teilweisen oder kompletten Lockdown. Regelungen, wie sie in Europa mittlerweile gelten, sind für Chinas Führung bislang unvorstellbar. Die Impfquote ist noch zu gering. In Shanghai sind nur 35 Prozent aller 60-Jährigen geboostert. Im zweiten Quartal dürfte das Bruttoinlandsprodukt daher gerade mal um ein Prozent zugelegt haben. Für 2022 geht die Weltbank von einer Steigerung der gesamtwirtschaftlichen Leistung von nur 4,3 Prozent aus.

Keine Kritik aufkommen lassen

Steigende Todeszahlen möchte Präsident Xi Jinping vor dem 20. Parteitag der Kommunistischen Partei unbedingt vermeiden. Im November will er sich von den Delegierten erneut als Generalsekretär und Staatspräsident bestätigen lassen. Dies dürfte ihm gelingen, doch Chinas Nummer 1 will möglicher interner Kritik aus dem engsten Führungszirkel an den verordneten Einschränkungen den Wind aus den Segeln nehmen. Nicht auszuschließen, dass die staatliche Konjunkturstützung noch einmal intensiviert wird.

Solange Peking seine strikte Pandemiepolitik jedoch nicht ändert, bleiben die Risiken für Anleger hoch. Sie müssen sich weiterhin auf heftige Schwankungen einstellen. Andererseits locken günstige Bewertungen. Die 720 im iShares MSCI China ETF zusammengefassten Unternehmen weisen im Schnitt ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von gerade mal zwölf auf. Allem Anschein nach lässt auch der Regulierungsdruck gegenüber Technologieunternehmen nach. Bloomberg News" zufolge ist Chinas Notenbank inzwischen gewillt, den Konzern Ant Financials von Unternehmer Jack Ma als Finanzholding anzuerkennen.
Damit würde ein wichtiges Hindernis auf dem Weg zur Börsennotierung entfallen. Vor zwei Jahren hatte die Regierung noch ein Listing verhindert, was Anleger verunsicherte und die Kurse auf Talfahrt schickte.

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