Erstaunlich zügig haben das Wirtschafts- sowie das Finanzministerium ein gemeinsames Blockchain-Strategiepapier vorgelegt, das jüngst vom Bundeskabinett verabschiedet wurde. Damit sollen die "Weichen für eine Token-Ökonomie" gestellt und "Deutschlands führende Position" in dem Bereich ausgebaut werden. Für den Finanzsektor heißt das: "Stabilität sichern und Innovationen stimulieren". Große Ankündigungen - die durch ihren engagierten Zeitplan aber durchaus positiv überraschen. Ein paar Wermutstropfen bleiben jedoch.
Die Blockchain-Strategie der Bundesregierung ist unabhängig vom jeweiligen Wert der 44 Einzelmaßnahmen ein wichtiges Zeichen, dass man Deutschland als führenden Krypto-Technologie-Standort etablieren möchte. Hier möchte man offenbar vieles besser machen, was man vielleicht beim Thema künstliche Intelligenz verschlafen hat. Die vielen Einzelmaßnahmen wirken zwar wie ein Aktivitäten-Bauchladen, es zeigt aber auch, dass die Blockchain nicht nur ein Finanzthema ist, sondern dass wir auf dem Weg in eine umfassende tokenisierte Ökonomie sind. Jetzt muss man sehen, was davon tatsächlich umgesetzt wird.
Aus Bankensicht ist die schnelle gesetzliche Umsetzung von elektronischen Wertpapieren in diesem Jahr der wichtigste Teil der Strategie. Die Geschwindigkeit ist zu begrüßen, weil sich Deutschland damit sehr weit vorn in der Blockchain-Regulierung positioniert und klar zeigt, dass man dieses Feld nicht Liechtenstein oder der Schweiz überlassen möchte. Für Banken entsteht durch elektronische Wertpapiere ein hoher Innovationsdruck. Die ersten elektronischen Wertpapiere werden Schuldverschreibungen sein, Aktien und Fondsanteile sollen folgen. Jede Bank, die im Depotgeschäft aktiv ist, muss sich technologisch dafür rüsten, elektronische Wertpapiere zu verwahren. Auch die Handelsprozesse für elektronische Wertpapiere werden modifiziert, sodass sich auch aus Prozesssicht viel ändern wird.
Insgesamt würde man sich allerdings wünschen, dass sich die Bundesregierung genauso entschieden für eine einheitliche europäische Krypto-Regulierung einsetzt wie für die Verhinderung von Libra und anderen Stablecoins. Momentan scheint dies genau in eine andere Richtung zu laufen - nicht nur mit der vorgestellten Blockchain-Strategie, auch schon mit Regulierungsansätzen, die bereits im Gesetzgebungsverfahren sind, wie etwa die in Europa dann einzigartige Erlaubnispflicht für Unternehmen, die Krypto-Verwahrung anbieten.
Im Rahmen der vierten Geldwäsche-Richtlinie hat die Regierung mit ihrem Entwurf aber schon gezeigt, dass die Innovationsfreundlichkeit auch ihre Grenzen hat: Der Krypto-Wert als Finanzinstrument wurde ins KWG aufgenommen, die Krypto-Verwahrung - soweit es nicht Wertpapier-Token betrifft - wurde als eigene Finanzdienstleistung definiert, für die eine Lizenz benötigt wird; gleichzeitig dürfen Krypto-Verwahrer keine anderen Dienstleistungen anbieten. Parallel wurde in das Geldwäsche-Gesetz aufgenommen, dass Krypto-Verwahrer ihre Kunden wie eine Bank identifizieren müssen. So ist praktisch die gesamte Krypto-Wertschöpfungskette durchgehend reguliert.
Damit hat die Regierung klar gemacht, dass sie Krypto-Werte als vollwertiges Instrument versteht, deren Verwahrung sie im Sinne des Anlegerschutzes reguliert. Die Hürden für Krypto-Start-ups hat man durch die Regulierung recht hoch gelegt, wodurch Innovationen erschwert werden. Für Banken würden die Änderungen bedeuten, dass sie keine Krypto-Werte verwahren dürfen, falls sie nicht als Wertpapier-Token gelten und in den Bereich des Depotgesetzes fallen - dieser Teil des Gesetzes ist noch in der Diskussion. Ihnen würde damit ein Geschäftsfeld genommen, während sie auf der anderen Seite gezwungen werden, sich auf die Verwahrung elektronischer Wertpapiere vorzubereiten.
zum Autor: Hartmut Giesen
Seit 2012 realisiert Giesen für die Sutor Bank digitale Geschäftsmodelle. Die Sutor Bank ist der Banking-as-a-Service-Partner von Fintechs wie Zinspilot, Growney, Fairr.de oder Fintiba. Aktuell nutzen über 190 000 Kunden von digitalen Partnern die Banking-Plattform. Über das Plattform-Banking hinaus ist die Sutor Bank im Private Banking, im Stiftungsmanagement und im B2B-Banking für Finanzvertriebe aktiv.