Der Krieg in der Ukraine und mögliche schärfere Sanktionen des Westens gegen Russland bis hin zu einem Öl- und Gasembargo, aber auch die beschleunigte Zinswende der Fed belasten zunehmend die Aktienmärkte.

Wie aus den Sitzungsprotokollen der US-Notenbank hervorgeht, hält die Fed größere Zinsschritte von einem halben Prozentpunkt oder mehr für nötig, um die Inflationsrisiken einzudämmen. "Die Fed meint es ernst, Zaudern gibt es nicht mehr", erläuterte VP-Bank-Chefvolkswirt Thomas Gitzel. "Das Sitzungsprotokoll zeigt, dass die Fed ihre Geldpolitik mit der großen Kelle anrichtet."

Inzwischen wird an den Märkten bereits im Mai und Juni mit Sprüngen von jeweils einem halben Prozentpunkt gerechnet. Ende des Jahres könnte der Leitzins von derzeit 0,25 bis 0,5 Prozent nach weiteren Straffungen bei 2,5 bis 2,75 Prozent liegen. Diese Perspektive einer aggressiveren Geldpolitik belastete die US-Börse, insbesondere die Nasdaq. Vor allem Tech- werte wie Apple, Alphabet, Amazon, Meta und Tesla gerieten unter Druck.

Der US-Notenbank könnte auch die Europäische Zentralbank (EZB) schneller als erwartet folgen. Dies deutete Bundesbank-Chef Joachim Nagel in einem Interview mit dem ARD-Wirtschaftsmagazin "Plusminus" an. Bis zum Juni werde das EZB-Anleihekaufprogramm bereits deutlich zurückgefahren, dann werde neu entschieden. Die inzwischen auf 7,3 Prozent gekletterte Inflationsrate schaffe Handlungsbedarf. Für das Gesamtjahr rechnet Nagel mit sechs Prozent Inflation.

Neue Rezessionsängste


In Europa setzt unterdessen die Sorge vor den wirtschaftlichen Folgen neuer Sanktionen des Westens gegen Russland die Aktienmärkte unter Druck. Vor allem ein bislang von der EU vermiedenes Öl- und Gasembargo könnte die Konjunkturrisiken deutlich erhöhen. "Mit einem Energieembargo würde sich der Westen vor allem selber schaden, aber der russische Präsident Putin könnte trotzdem mit seinem Krieg weitermachen", warnte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Ein Öl- und Gasembargo hätte eine schwere Rezession insbesondere in Deutschland zur Folge. "Energieintensive Industrien müssten abgeschaltet werden, ein Gasembargo wäre vor allem ein Schlag gegen die chemische Industrie - mit massiven Produktionseinbrüchen als Folge".

Zu den Unternehmen, die von einem Öl- und Gasembargo am stärksten betroffen wären, zählt der Chemiekonzern BASF. Vorstandschef Martin Brudermüller warnte davor, dass viele Firmen bei einem Embargo Insolvenz anmelden müssten, weil sie schlicht nicht mehr produzieren könnten. Die Arbeitslosigkeit würde dadurch rapide ansteigen. "Das könnte die deutsche Volkswirtschaft in ihre schwerste Krise seit Ende des Zweiten Weltkriegs bringen und unseren Wohlstand zerstören", sagte er der "FAZ".

Commerzbank-Chefvolkswirt Krämer zufolge seien die bisher gegen Russland verhängten Sanktionen schon sehr effektiv. Eingefrorene Notenbank-Guthaben und Technologieabzug westlicher Konzerne würden die russische Wirtschaft massiv zurückwerfen. Laut US-Studien könnte das russische Bruttoinlandsprodukt als Folge der Sanktionen 2022 um zehn bis 15 Prozent schrumpfen. Die Inflation in Russland liege bei 200 Prozent.

Corona-Erholung hilft jetzt


Krämer zufolge sind die privaten Haushalte in Deutschland für Preisanstiege gerüstet: "Die Ersparnisse aus der Corona-Krise liegen mittlerweile bei rund zehn Prozent der jährlichen Einkommen." Damit könnten hohe Energiepreise abgefedert werden, während einkommensschwache staatliche Hilfen bekämen. "Wir stehen mitten in einer Corona-Erholung, das wirkt wie ein Konjunkturprogramm." Bleibe eine Energiekrise erspart, könnten die konjunkturellen Folgen des Krieges überschaubar bleiben und eine schwere Rezession vermieden werden.