Was diese Analogie allerdings unterschlägt ist, dass auch Surfer lange in ruhigeren Gewässern üben, um später gut vorbereitet die "perfekte Welle" zu surfen. Privatanleger und besonders Anfänger blenden hingegen häufig die Komplexität marktbewegender Nachrichten aus. Sie interpretieren neu veröffentlichte Daten ohne tiefer gehendes Marktverständnis, um dann innerhalb weniger Minuten viel Geld zu verlieren. Unter Profi-Tradern gibt es hierzu einen Spruch, der die bereits erwähnten US-Arbeitsmarktdaten, die am ersten Freitag jeden Monats veröffentlicht werden, aufgreift: "Auf dem Friedhof der Händler findet man mehrere Grabsteine mit der Inschrift: Der Tod des Traders trat plötzlich und überraschend am ersten Freitag des Monats um 14.30 Uhr ein - möge er in Frieden ruhen."
Nicht wenige Anleger glauben, dass es an der Börse eindimensionale Kausalzusammenhänge gibt, pauschal nach dem Muster: "Wenn A, dann B". Aber der Finanzmarkt ist komplexer, gerade im Zusammenhang mit wichtigen Veröffentlichungen. Erinnern wir uns zum Beispiel an den 3. Dezember 2015 und den Kurssturz im DAX. Gegen Nachmittag verkündete Mario Draghi, Chef der Europäischen Zentralbank EZB, eine Ausdehnung des EZB-Anleihekaufprogramms um mehr als 300 Milliarden Euro. Die klassische Interpretation eines solchen Schrittes ist, dass dem Markt mehr Liquidität zufließt, die renditebringend angelegt werden möchte. Und diese Rendite fand sich im damaligen Marktumfeld in deutschen Aktien. Ergo, der DAX sollte auf eine solche Ankündigung hin steigen. Tat er aber nicht! Im Gegenteil, der DAX fiel ins Bodenlose und verlor ausgehend vom Tageshoch fast 700 Punkte oder mehr als sechs Prozent.
In der Rückschau wird klar, warum: Professionelle Marktteilnehmer hatten mit mehr Liquidität seitens der EZB gerechnet. 300 Milliarden Euro ist eine imposante Zahl, die Finanzprofis wollten aber eine Ausdehnung von (mindestens) einer Billion sehen. In den Wochen zuvor war der DAX bereits um fast 20 Prozent geklettert, der Markt hatte die erwarteten Schritte der EZB vorweggenommen. Als nun der unbedarfte Kleinanleger die Worte Draghis hörte und sich einer sicheren Wette gegenübersah, war die Party bereits vorbei. Die professionellen Marktteilnehmer stießen - enttäuscht von Draghis Worten - ihre Positionen ab. Da der Umfang ihrer Verkäufe die Kaufkraft von Privatanlegern um ein Vielfaches übersteigt, wurde der Privatanleger von der Verkaufswelle überrollt und erlitt mit seiner Position, die von steigenden Kursen ausging, einen empfindlichen Verlust.
Fakt ist, dass die Interpretation einer Wirtschaftsmeldung sowohl eine Vorstellung über deren Ausgang als auch Kenntnis über die Erwartungen der restlichen Marktteilnehmer erfordert. Das Handeln von News setzt deshalb eine tägliche Auseinandersetzung mit dem Markt voraus. Privatanleger, denen es an tiefer gehendem Marktverständnis oder auch an Zeit für eine tägliche Analyse der Märkte mangelt, sollten rund um solch schwankungsintensive Veröffentlichungen die Finger von schnellen Trades lassen. Stattdessen sollten sie erfahrenen Händlern und Analysten bei solchen Events über die Schulter schauen und lernen, bevor sie sich selbst ins gefährliche "News-Trading"-Gewässer begeben.