Eine der Untersuchungen stammt von Policen Direkt, nach eigenen Angaben größter Aufkäufer privater Lebensversicherungen. Hier heißt es, dass 30 der 84 Anbieter 2016 zu wenig aus ihren Kapitalanlagen erwirtschaftet hatten. 2015 seien es erst 20 gewesen. Eine Reihe von Unternehmen musste zusätzliche Ertragsquellen anzapfen, etwa Verwaltungskosten und Risikogewinne.
Die zweite Studie, erstellt von der Ratingagentur Assekurata, hat einen branchenweiten Ertragspuffer berechnet, der 2016 nur noch knapp positiv war. Er lag um etwa der Hälfte unter dem Wert von 2015 und um zwei Drittel unter jenem von 2014.
Hintergrund der Probleme: Die Lebensversicherer haben viele Policen im Bestand, für die sie jährlich Garantiezinsen von bis zu vier Prozent bezahlen müssen. Zugleich bestehen die Kapitalanlagen zum größten Teil aus Anleihen. Deren Renditen sinken angesichts der weltweiten Schrumpfzinsen. Verschärft wird die Lage durch die sogenannte Zinszusatzreserve. Der Gesetzgeber zwingt die Unternehmen seit 2011, zusätzliche Mittel zurückzulegen, um die Auszahlungen an die Kunden auch langfristig sicherzustellen. In den Studien wurden die jährlichen Zahlungen an die Kunden sowie in die Zinszusatzreserve zusammengerechnet und den Erträgen aus den Kapitalanlagen gegenübergestellt.
"Die Situation spitzt sich zu - nicht dramatisch, aber schleichend. Das ist umso gefährlicher", sagt Assekurata-Bereichsleiter Lars Heermann. Kann es in absehbarer Zeit zu Pleiten in der Branche kommen? Heermann: "Theoretisch ist das nicht ausgeschlossen. Allerdings ist es Aufgabe der Finanzaufsicht Bafin, die Kunden möglichst davor zu schützen. Um schlimmstenfalls einen Totalverlust zu vermeiden, kann sie anordnen, Garantien herabzusetzen. Sie könnte beispielsweise dafür sorgen, dass alle Garantien, die über drei Prozent hinausgehen, gekappt werden."
Millionenfacher Run-off
Die schlechten Aussichten für die Lebensversicherungssparte sind einer der Gründe, warum manche Versicherungskonzerne darüber nachdenken, Vertragsbestände komplett zu verkaufen. So plant Generali solch einen sogenannten externen Run-off für rund vier Millionen Policen. Auch Ergo hatte für etwa sechs Millionen Verträge solch eine Lösung geprüft, die unter anderem Kunden der ehemaligen Hamburg-Mannheimer und Victoria betroffen hätte. Der Konzern präferiert aber nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" mittlerweile eine interne Abwicklung der Bestände.
Sollten Besitzer einer Kapitallebens- oder privaten Rentenversicherung angesichts dieser miesen Aussichten ihre Police kündigen? Insbesondere wer eine Police mit hohem Garantiezins besitzt, sollte sich solch einen Schritt zweimal überlegen. Es gibt etliche Alternativen:
Beitragsfrei stellen: Versicherte zahlen keine Beiträge mehr, der Vertrag bleibt jedoch bestehen. Was bislang angespart wurde, wird weiter verzinst. Vorsicht: Ein an den Vertrag gekoppelter Berufsunfähigkeitsschutz (in Form einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung) entfällt in diesem Fall.
Teilweise kündigen: Versicherte reduzieren ihren Beitrag und damit auch den Schutz. Der Vertrag wird aber auf einem deutlich höheren Niveau als
bei einer kompletten Beitragsfreistellung weitergeführt.
Billiger machen: Jährlich statt monatlich zahlen. Das spart den Ratenzuschlag. Auch die Dynamisierung kann gestoppt werden, bei der bei jedem neuen Schritt nach oben zusätzliche Abschlusskosten fällig sind.
Beleihen: Bei Policendarlehen dient die Lebensversicherung als Sicherheit für einen Kredit. Die Kreditsumme errechnet sich aus dem sogenannten Rückkaufswert, also jenem Betrag, zu dem der Versicherer die Police zurücknehmen muss, wenn der Kunde die Lebensversicherung kündigt.
Rückabwickeln: Wer zwischen 1995 und 2007 eine Police abgeschlossen hat, kann dem Vertrag unter bestimmten Voraussetzungen auch heute noch widersprechen - selbst dann, wenn er schon gekündigt hat. Konkret geht es um die Frage, ob Verbraucher bei Vertragsabschluss fehlerhaft oder gar nicht über ihr Widerspruchsrecht aufgeklärt wurden.
Via Zweitmarkt verkaufen: Einige unabhängige Finanzdienstleister, beispielsweise Policen Direkt, übernehmen Verträge zu einem höheren Preis, als ihn die Versicherer selbst bieten. Ein Aufschlag von drei bis acht Prozent auf den sogenannten Rückkaufswert ist dabei realistisch.