Die Führungsriege der Regierungspartei war darüber offensichtlich so erzürnt, dass sie den Druck auf die Wahlkommission in den vergangenen Wochen erhöht hat, um das gewünschte Ergebnis der Überprüfung zu erhalten. Der Unmut, den die Annullierung der Wahl vonseiten in- und ausländischer Politiker sowie von Finanzmarktteilnehmern zweifelsohne hervorrufen würde, scheint dabei eine untergeordnete Rolle gespielt zu haben.
Für viele Beobachter ist der Schritt ein weiterer Hinweis für ein Abdriften der Türkei in eine Diktatur. Zwar soll die Wiederholung der Wahl in Istanbul am 23. Juni stattfinden. Unklar ist jedoch, inwieweit eine erneute Wahlniederlage für die AKP überhaupt noch in Frage kommt.
Die Wahlwiederholung in der Metropole des Landes ist nicht der einzige Faktor, der die Lira derzeit belastet. Die türkische Zentralbank hat sich in ihrem jüngsten Statement etwas weniger restriktiv präsentiert als zuvor. Dies mag zwar mittelfristig aufgrund eines nachlassenden Preisdrucks gerechtfertigt sein, kurzfristig hat es das Sentiment gegenüber der Landeswährung jedoch weiter eingetrübt.
Hinzu kommen die diplomatischen Spannungen mit den USA und anderen NATO-Mitgliedern hinsichtlich des Kaufs eines russischen Flugabwehrsystems. Und dass sich der US-Dollar in den letzten Monaten von seiner stärkeren Seite präsentierte, ist ebenfalls alles andere als hilfreich. Eine weitere Eskalation der Krise in der Türkei ist zumindest bis zur Neuwahl Ende Juni nicht auszuschließen. Denn Präsident Erdogan ist im Wahlkampf für Äußerungen bekannt, die bei internationalen Investoren für Verunsicherung sorgen. Vor diesem Hintergrund ist eine weitere kurzfristige Abwertung der Lira zu befürchten.
Stefan Bielmeier ist Chefvolkswirt der DZ-Bank.