"Wir werden alle Flexibilität innerhalb unseres Mandats nutzen, um unseren Auftrag zu erfüllen." Die Börsen zeigten sich überrascht und zogen deutlich an. Der Euro-Kurs fiel hingegen unter die Marke von 1,12 Dollar. Trump twitterte daraufhin, der billigere Euro erleichtere Europa den Konkurrenzkampf mit den USA. Das sei unfair.
Der Dax drehte nach Draghis Rede ins Plus und gewann zeitweise fast zwei Prozent. Am Anleihemarkt fiel die Rendite der zehnjährigen deutschen Bundesanleihe auf ein Rekordtief von minus 0,323 Prozent. "Draghi macht damit verbal einen weiteren wichtigen Schritt, um die Werkzeugkiste der unkonventionellen Maßnahmen im späteren Jahresverlauf erneut zu öffnen - erste Wahl wäre wohl eine Leitzinssenkung", kommentierte Elmar Völker, Anleihen-Analyst beim Bankhaus LBBW. In den USA könnte die Notenbank Fed ebenfalls Hinweise in Richtung tieferer Zinsen geben. Ihre Entscheidung wird am Mittwochabend nach der Zinssitzung erwartet.
Die Indikatoren für die kommenden Quartale deuteten auf eine anhaltende Konjunkturschwäche hin, sagte Draghi. "In den nächsten Wochen wird der EZB-Rat überlegen, wie unsere Instrumente entsprechend der Größe des Risikos für die Preisstabilität angepasst werden können." Die EZB werde eine anhaltend niedrige Inflation nicht akzeptieren.
TRUMP KRITISIERT DRAGHI - "UNFAIR"
US-Präsident Trump griff Draghi direkt an. Die Ankündigungen hätten den Euro gegenüber dem Dollar sofort gedrückt und die Märkte in Europa hätten zugelegt. "Unfair gegenüber den USA", twitterte der Präsident. Trump treibt um, dass Waren und Dienstleistungen aus der Euro-Zone preislich umso attraktiver in anderen Währungsgebieten werden, je billiger der Euro wird. Das verschafft ihnen Preisvorteile gegenüber Waren aus den USA. "Sie sind damit seit Jahren durchgekommen, zusammen mit China und anderen," twitterte Trump. Volkswirte wiesen dies zurück. Die Vorwürfe der Währungsmanipulation entbehrten jeder Grundlage, sagte Marco Bargel, Chefvolkswirt der Postbank. "Der gegen Draghi gerichtete Tweet lässt die Befürchtung aufkommen, dass Trump nicht nur an einem Handelskrieg, sondern auch an einem Währungskrieg interessiert sein könnte."
Draghi zufolge gibt es "erheblichen Spielraum" für weitere Anleihenkäufe. Zudem gehörten erneute Zinssenkungen und Maßnahmen, um unerwünschte Nebenwirkungen der anhaltend ultralockeren Geldpolitik einzudämmen, zu den Instrumenten. In der EZB wird derzeit die Möglichkeit diskutiert, den Banken mit gestaffelten Einlagezinsen unter die Arme zu greifen, um die Folgen der jahrelangen Negativzinsen abzumildern. Die nächste Zinssitzung der EZB ist am 25. Juli. Investoren am Geldmarkt rechnen nun fest mit einer Zinssenkung im Euro-Raum noch in diesem Jahr.
VERSCHOBENE ZINSWENDE
Die Euro-Notenbank hält ihren Leitzins bereits seit März 2016 auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent. Ihr Einlagensatz ist seit 2014 negativ. Seitdem müssen Geldhäusern Strafzinsen zahlen, wenn sie über Nacht überschüssige Gelder bei der Notenbank horten. Der Satz liegt inzwischen bei minus 0,4 Prozent. In Deutschland klagen Banken schon seit langem, dass dies an ihren Gewinnen zehrt. Sie fordern ein Ende der Negativsätze.
Die EZB hatte Anfang Juni auf ihrer Zinssitzung wegen gestiegener Konjunktursorgen bereits die Wende hin zu einem Anstieg der Zinsen erneut verschoben. Sie stellte in Aussicht, an ihren Schlüsselsätzen noch bis mindestens zum Sommer 2020 nicht zu rütteln. Bislang galt das nur bis Ende 2019. Damit traf sie Beschlüsse, die bis in die nächste Präsidentschaft hineinreichen. Denn Draghis Amtszeit an der Spitze der Euro-Notenbank läuft Ende Oktober nach acht Jahren ab. Nach dem Treffen hatte der EZB-Chef aber auch betont, man halte sich angesichts der konjunkturellen Unsicherheit alle Optionen offen.
Sorgen bereitet den Währungshütern unter anderem die jüngste Schwäche der Industrie im Euro-Raum. Zudem dämpfen die US-Handelskonflikte und die anhaltende Brexit-Hängepartie die Konjunkturaussichten. Dazu hat sich die Inflationsrate zuletzt wieder deutlich von der EZB-Zielmarke von knapp unter zwei Prozent entfernt, die die Notenbank als Idealwert für die Wirtschaft anstrebt. Im Mai lag die Teuerung gerade einmal bei 1,2 Prozent nach 1,7 Prozent im April. Das ist die bislang niedrigste Rate in diesem Jahr. An den Märkten gehen Investoren inzwischen nicht mehr davon aus, dass die EZB in den nächsten Jahren ihr Inflationsziel erreichen wird. Die EZB verfehlt ihr Ziel bereits seit Frühjahr 2013.
rtr