Diese neuen Regeln sollen für einen besseren Schutz von Anlegern und mehr Transparenz in den Märkten sorgen. So müssen Anbieter von Finanzprodukten beispielsweise klar definieren, für welche Zielgruppen sich ihre jeweiligen Produkte eignen. Der Anleger muss im Einzelnen über die Kostenbestandteile informiert werden. Möchte der Kunde auf telefonischem Weg beraten werden oder Finanzprodukte handeln, so müssen die Institute diese Gespräche aufzeichnen und speichern.
Ein verbesserter Anlegerschutz ist ohne Zweifel erstrebenswert. Allerdings ist fraglich, ob der beabsichtigte Nutzen mit allen diesen Maßnahmen erzielt werden kann. Der bereits umfassend regulierte Finanzsektor wurde mit den neuen Vorgaben regelrecht überfrachtet. Einige Maßnahmen sind hier sinnvoll - so wird grundsätzlich mit der Kostentransparenz etwas normiert, was die Zertifikatebranche schon seit Jahren für die Produktkosten praktizierte. Andere Vorgaben haben sich hingegen mittlerweile - wie zu erwarten war - als nicht praxistauglich erwiesen und stellen die Anleger und Institute vor große Herausforderungen. Probleme bereitet besonders die Darstellung der Performance-Szenarien in den Basisinformationsblättern. Da die gesetzlich vorgegebenen Berechnungsmethoden nicht ausgereift sind, müssen teilweise nicht nachvollziehbare Angaben gemacht werden. Diese lösen bei den Anlegern Verunsicherung aus und unterhöhlen das Vertrauen in die bereitgestellten Informationen.
Durch eine immer umfangreichere Detailregulierung, die eigentlich dem Anleger dienen soll, werden das Wertpapiergeschäft und die Anlageberatung zunehmend bürokratisiert. Dies hat bereits jetzt negative Auswirkungen auf die schwach ausgeprägte Wertpapierkultur in Deutschland. Immer mehr Kunden sind aufgrund der Fülle an vorgesetzten Informationen überfordert und schrecken vor einer Anlage in Wertpapieren zurück. Die Abläufe beim Wertpapierkauf sind umständlicher und zeitraubender geworden. Dies wird unter anderem bei der telefonischen Erteilung von Aufträgen deutlich, bei denen sich die Kunden um den Datenschutz und ihre Privatsphäre sorgen. Auch die Informationspflichten zu den anfallenden Kosten, die dem Kunden vor Orderausführung übermittelt werden müssen, führen bei telefonischen Aufträgen zu großem Unmut. Für die Kreditinstitute bewirken diese Neuerungen teils große praktische Schwierigkeiten und sie sind mit erheblichen Kostensteigerungen verbunden. Das telefonische Wertpapiergeschäft ist eingebrochen, einzelne Institute haben es auch komplett eingestellt.
Doch gerade in Zeiten einer lang anhaltenden Niedrigzinsphase muss alles dafür getan werden, das Wertpapiergeschäft attraktiver zu machen und Anleger zu ermutigen, mehr in Wertpapiere zu investieren, um so den Erhalt und Aufbau ihres Vermögens zu ermöglichen. Der Privatanleger darf nicht Leidtragender unausgereifter Vorschriften sein. Daher gilt es jetzt, umfassend, zügig, aber nicht überhastet bestehende Unstimmigkeiten und Unklarheiten in den europäischen Regelwerken zu beseitigen. Die Regulierung muss so angepasst und abgestimmt werden, dass der Anleger zwar ausreichend geschützt wird, aber die Anlage in Wertpapiere nicht jeglicher Attraktivität beraubt wird.
Der Gesetzgeber muss hier das große Bild, namentlich die Förderung der Wertpapierkultur, im Auge behalten. Zudem sollten neben den erst kürzlich eingeführten Vorschriften auch die bereits bestehenden Wertpapierregulierungen auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden: Führt der Aufwand der Kreditinstitute zu einem entsprechenden Nutzen beim Anleger? In vielen Fällen ist dies derzeit leider mit einem klaren "Nein" zu beantworten.
Bei der Einführung von Mifid II und PRIIPs ist auch noch ein weiteres Problem zutage getreten: Während die umfassenden Regelwerke in Deutschland zum Januar 2018 pünktlich umgesetzt wurden, war dies EU-weit leider nicht der Fall.