Unabhängig davon, ob die Renditerückgänge durch die zunehmende Risikoaversion der Marktteilnehmer oder in Erwartung geldpolitischer Lockerungen durch die Notenbanken zustande kommen, erhöht dies die relative Attraktivität von Anleihen mit einer auskömmlichen positiven Rendite. Da mit Hilfe von Staatsanleihen, bis auf die sehr langen Laufzeiten, kaum mehr positive Renditen erzielbar sind, dürfte der Blick von Investoren zunehmend auf Unternehmensanleihen mit einem Investment-Grade-Rating fallen.
Unter den 1.515 Unternehmensanleihen im iBoxx Euro Non-Financials Senior, dem Benchmarkindex für Corporate-Bonds mit Investment-Grade-Rating, rentieren 93,1 Prozent im positiven Bereich. Zwar stammt die überwiegende Zahl der Anleihen aus dem niedrigsten im Index vertretenen Ratingbereich "BBB", aber selbst im A-Segment lassen sich 464 Anleihen mit einer positiven Rendite finden. Zur Erreichung einer Zielrendite von 1,0 Prozent wird die Luft dann jedoch dünner. Aber immerhin 26,5 Prozent aller im Index vertretenen Unternehmensanleihen übertreffen das genannte Renditeziel. Dabei stammen jedoch mehr als drei Viertel aller Anleihen mit einer Rendite über der genannten Zielrendite aus dem BBB-Bereich.
Man sollte sich aber von der aktuellen Höhe der Rendite nicht blenden lassen, sondern weitere Aspekte bei der Anlageentscheidung berücksichtigen. Die zahlreichen geopolitischen Risiken und ihre potenziell negativen Auswirkungen sowohl auf die Konjunktur als auch auf die Geschäftsaussichten von Unternehmen könnten sich mittelfristig ungünstig auf die Ratingeinstufung von Unternehmen auswirken. Insbesondere bei den Unternehmen, die sich im gerade noch für Investoren wichtigen Ratingbereich des Investment-Grade ("BBB") befinden, besteht die Gefahr, dass diese Unternehmen im Zuge der konjunkturellen Abkühlung aus diesem Bereich herausfallen. Dann wären Investoren aus regulatorischen Gründen gezwungen, sich von diesen Anleihen zu trennen. In solchen Phasen dürfte dann auch die Liquidität nicht sehr üppig ausfallen. Damit träfe ein hohes Angebot auf eine sehr überschaubare Nachfrage; die Preise solcher Anleihen dürften dann schnell und spürbar fallen. Ähnliches gilt natürlich auch für andere Anleihen mit höheren Renditen, zum Beispiel aus Schwellenländern.
Die niedrigen Renditen bei relativ sicheren Staatsanleihen zwingen die Investoren, früher oder später ein höheres Risiko in den Portfolien zu akzeptieren, um die Renditeerwartungen auch nur annähernd zu erreichen. Diese Risiken waren in den vergangenen Jahren vertretbar, da die globale Konjunktur relativ stabil war und die Notenbanken gegebenenfalls die Anleihemärkte unterstützten konnten. Das Bild hat sich aber eingetrübt. Die Konjunktur kühlt sich ab und die Handlungsmöglichkeiten der Notenbanken sind eingeschränkt. Damit ist das implizite Risiko angestiegen, das Investoren mit Unternehmens- oder ähnlichen Anleihen eingehen. An den Marktpreisen ist dies jedoch noch nicht ablesbar, da die Risikofunktion der Preise nicht mehr voll gegeben ist. Somit kann es bei einem entsprechenden Umfeld auch schnell zu einer systemischen Krise kommen, da dann das Angebots-Nachfrage-Verhältnis nicht mehr ausbalanciert werden kann. Für die Investoren hat sich das Chance-Risiko-Verhältnis also spürbar verschlechtert.
Letztendlich ist das Investment in solche Anleihen vor dem Hintergrund der aktuellen Renditeniveaus auch mit der Hoffnung verbunden, dass die Notenbanken - falls notwendig - die Märkte mit Anleihekaufprogrammen stützen werden. Investoren sollten sich dieser Entwicklung bewusst sein. Auch wenn es bei den vorgegebenen Renditezielen oft keine Alternative zu solchen Investments gibt
Stefan Bielmeier ist Chefvolkswirt der DZ-Bank.