Wird Joe Biden oder Donald Trump die Wahl für sich entscheiden?
Landesweite Umfragen sehen Joe Biden derzeit zwar klar vorne. Sie können aber täuschen, wie die Wahl 2016 gezeigt hat. Mit dem Abflauen der Black Lives Matter-Proteste und dem Absinken der Corona-Neuinfektionen könnten sich Trumps Chancen wieder bessern. Das Rennen um das Weiße Haus dürfte knapp werden. Am Ende wird es wohl auf das Ergebnis in den "Swing-States" ankommen, um die die Kandidaten derzeit buhlen.
Wie geht es dann für die US-Wirtschaft weiter?
Der nächste Präsident wird die Wirtschaft wieder ankurbeln wollen. Die Ansätze hierzu von Trump und Biden unterscheiden sich zwar deutlich: Trump steht für Steuersenkungen, Biden für deutlich höhere Steuern und Staatsausgaben. Für die Gesamtwirtschaft würde es - mit Blick auf die kommenden zwei bis drei Jahre - aus unserer Sicht aber kaum einen Unterschied machen, ob Biden oder Trump ab Januar 2021 im Oval Office sitzt.
Welche Maßnahmen die künftige Regierung umsetzten kann, wird maßgeblich von der Zusammensetzung im Kongress abhängen. Besonders Trump wird wohl kaum die notwendige Rückendeckung für größere Reformen erhalten. Biden würde dagegen wohl einige seiner Wahlkampfversprechen der Realpolitik opfern. Sie dienten offenbar vor allem dazu, den linken Flügel der Demokraten hinter sich zu bringen. Vor einer schnellen und starken Anhebung der Unternehmenssteuern oder des Mindestlohns würde er am Ende wohl doch zurückschrecken, um die konjunkturelle Erholung nicht zu gefährden.
Ist der Wahlausgang entscheidend für die Wall Street?
Die anstehende Wahl dürfte mittelfristig nur eine untergeordnete Rolle für die Aktienmärkte spielen. Zwar werden Bidens Steuervorhaben durchaus mit Skepsis verfolgt und zudem gibt es Befürchtungen einer strengeren Bankenregulierung. Neue Steuersenkungen unter Trump wären den Investoren dagegen willkommen. Zur üblichen Börsenheuristik "Republikaner sind gut für die Börsen, Demokraten sind schlecht", gab es in den vergangenen 30 Jahren aber genügend Gegenbeispiele.
So haussierten die US-Börsen unter den demokratischen Präsidenten Clinton und Obama, brachen aber zweimal innerhalb der Amtszeit von Präsident Bush jr. ein. Auch unter Trump, bei dem vor seiner Wahl 2016 die Mehrheit der Marktteilnehmer einen Kollaps des Aktienmarktes erwartete, kam es anders, die Börsen stiegen.
Am Aktienmarkt ist langfristig die Entwicklung der Unternehmensgewinne (und vielleicht noch die der Zinsen) entscheidend, nicht das Parteibuch des Präsidenten, wie unsere Rückblende zeigt. Große Kursreaktionen sind nach Bekanntgabe der Wahlergebnisse daher nicht zu erwarten.
Wie geht es unter einem neuen Präsidente im Handelsstreit zwischen den USA und China weiter?
Das große Handelsdefizit gegenüber China wird Trump sicherlich auch zukünftig ein Dorn im Auge sein. Neue Strafzölle wären aber wohl nicht mehr sein Mittel erster Wahl, um dagegen vorzugehen. Wir rechnen eher mit nichttarifären Maßnahmen. Der Schwenk in diese Richtung war in den letzten Monaten schon klar zu erkennen. An einer erneuten Eskalation im Handelsstreit mit China kann Trump kein Interesse mehr haben. Damit ginge schließlich ein deutliches Risiko für die Erholung der US-Wirtschaft und auch für den Aktienmarkt einher. In zu großer Sicherheit können sich - im Falle eines Wahlsiegs Trumps - aber weder China noch andere Handelspartner wähnen. Das Risiko neuer Strafzölle bliebe unter Trump auf jeden Fall bestehen.
Biden würde als Präsident im Handelsstreit wohl stärker auf Deeskalation setzen. Eine 180-Grad-Kehrtwende von Trumps eingeschlagenem Weg würde er aber nicht vollziehen. Chinas Handelspraktiken gelten schließlich auch bei den Demokraten zum Teil als unfair. Letztlich würde sich wohl eher der Ton gegenüber Peking ändern. Politische Spannungen mit China dürfte es auch in Zukunft geben, unabhängig davon, wer die Wahl gewinnt.
Wie dürfte sich die Corona-Politik weiterentwickeln?
Schwer zu sagen. Das hängt stark davon ab, ob in absehbarer Zeit ein wirksamer Impfstoff verfügbar sein wird. Trump hofft natürlich darauf, am besten noch vor dem Wahltermin. Denn die verfehlte Corona-Politik hängt wie ein Mühlstein um seinen Hals.
Was bedeutet die Wahl für den angeschlagenen US-Arbeitsmarkt?
Die Lage am US-Arbeitsmarkt normalisiert sich nach dem "Corona-Schock". Die Arbeitslosenquote ist in den letzten Monaten recht deutlich gesunken. Im August lag sie bei 8,4 Prozent - im April bei fast 15 Prozent. Die weitere Entwicklung der Arbeitslosenzahlen dürfte in erster Linie von der konjunkturellen Erholung und nicht vom künftigen Präsidenten abhängen. Eine Herausforderung stellt die Arbeitsmarktpolitik aber allemal dar. Das sehr gute Vorkrisenniveau bei der Beschäftigung wird man so schnell nicht wiederherstellen können, gerade wenn die Konjunktur im Herbst an Schwung verliert. Das wird aber von der Bevölkerung wohl erwartet.