Wo stehen wir denn nun? Der Kurseinbruch an den chinesischen Börsen zu Beginn des Jahres war heftig. Da kann man durchaus auch mit einer harten Landung der Wirtschaft rechnen. Und diese Sorge hat natürlich weltweite Auswirkungen - auch auf Aktienkurse und Rohstoffpreise. Europas Börsen starteten dementsprechend so schlecht ins Jahr wie seit der Jahrtausendwende nicht mehr. Viele Indizes haben ihre Vorjahresgewinne wieder abgegeben. Und Öl notiert nur noch um die 30 bis 40 Dollar!
Es gibt dennoch einige Silberstreifen am Horizont. So hat etwa EZB-Präsident Mario Draghi weitere Maßnahmen angekündigt, sollten sich Konjunktur und Inflation nicht so entwickeln wie vorgestellt. Und auch wenn viele Vergleiche mit dem Börsenjahr 2008 gezogen werden, so sieht es derzeit nicht nach dem Anfang eines Bärenmarktes aus. Die makroökonomische Lage ist eine ganz andere als damals. Zudem enden Bullenmärkte nur selten, ohne dass sich eine Rezession abzeichnet. Und danach sieht es zurzeit nicht aus. Mag ja sein, dass die Dynamik der Weltwirtschaft gedämpft ist, aber summa summarum entwickelt sie sich trotzdem positiv.
Dass die Börse dennoch fällt - nun ja, Korrekturen von fünf bis zehn Prozent bei den wichtigen Indizes gehören einfach dazu, das muss man verkraften können. Das sind ganz normale und eigentlich auch wünschenswerte Entwicklungen. Dass sie in den zurückliegenden Jahren seit 2009 tendenziell seltener als in den Jahren zuvor vorkamen, ist ohnehin ungewöhnlich.
Aktien sind nun mal Risikoinvestments. Und schwankende Kurse reflektieren die Risikoprämie, die Aktien nun mal gegenüber Festzinsanlagen auszeichnet. Bleibt nur die Frage, ob die Korrektur nun schon ausgestanden ist. Positiv ist, dass sich die Spreads von Hochzinsanleihen in der Korrekturphase nicht ausgeweitet haben. Normalerweise ist dies der Fall, wenn Schlimmeres im Busch ist. Allerdings - und das ist das große "Aber" - notieren sie auf hohem Niveau. Auch positiv ist, dass der Goldpreis zwar gestiegen ist, aber man keine "Flucht" in den vermeintlich sicheren Anlagehafen feststellen kann. Dennoch sind die Unsicherheiten da. Und die Risikofaktoren auch. Womit wir wieder bei China sind. Denn die Volksrepublik muss kämpfen. Ökonomisch, aber auch politisch.
Wir sollten nicht vergessen, dass das Land weltgrößter Verbraucher von Energie, Metallen und Weizen ist. Eine Verlangsamung des dortigen Wachstums der Volkswirtschaft hat erhebliche Auswirkungen auf den Rest der Welt. Hinzu kommt, dass man den Eindruck gewinnen kann, dass die Regierung Schwierigkeiten hat, die lahmende Wirtschaft unter Kontrolle zu bekommen und die Konjunktur zu beleben. Und das ist das eigentlich Beunruhigende. Auch die massiven Eingriffe an den heimischen Börsen haben bislang nicht den Erfolg gebracht, den sich die Regierung erhofft hat. Vielleicht haben sie alles sogar noch viel schlimmer gemacht.
Wo stehen wir also nun? Die Stimmung an den Börsen ist schlecht und das Momentum zunehmend negativ. Beides Faktoren, die sich am Ende als Einstiegsgelegenheit für langfristig orientierte Anleger erweisen könnten. Vielleicht ja dann, wenn sich die Sichtweise der Anleger wieder ändert. Beispiel Öl: Fallende Ölpreise waren in der Vergangenheit positiv für die Konjunktur. Aktuell indes hat jeder nur die unmittelbar negativen Effekte des Ölpreisverfalls im Fokus, ohne die langfristig positiven Auswirkungen zu beachten.
Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com