Liebe Anlegerinnen und Anleger,
seit einigen Tagen stabilisieren sich die Kurse der meisten globalen Indizes vorsichtig, obwohl nach wie vor keines der Probleme gelöst ist, die die Korrektur ausgelöst haben. Psychologisch betrachtet ist dies eine günstige Konstellation, da die Stimmung der Anleger sehr schlecht ist. Immerhin konnten die Käufer im gestrigen Handelsverlauf sehr überraschend einen Satzball erringen. FED-Präsident- Powell deutete nämlich an, im Fall einer konjunkturellen Abkühlung vom bisher angekündigten Zinserhöhungen Stephane abweichen zu können. Dies wiederum würde natürlich enormen Rückenwind für die globalen Aktienmärkte bedeuten.
Trotzdem befindet sich z.B. die Relation der pessimistischen Anlageberater in den USA auf dem tiefsten Stand seit dem Frühjahr 2016. Damals durchliefen wir ebenfalls eine heute fast vergessene Korrektur, als die Angst vor einer Rezession in China die Anleger in Angst und Schrecken versetzte. Die damaligen Umstände ähneln den heutigen durchaus etwas.
Meiner Meinung nach macht es aber weder Sinn, die heutigen Ereignisse in den Kontext der Vergangenheit zu setzen, noch den Chartverlauf der Indizes "in Echtzeit" zu verfolgen. Ganz einfach aus dem Grund, dass sich die Welt weder linear noch seitwärts bewegt.
Viel aufschlussreicher ist es jetzt zu beobachten, welche Sektoren heute nach oben gespült werden -oder wo ein Investment antizyklisch sinnvoll ist.
Recht interessant sind im Zusammenhang mit dem überraschenden Einbruch des Ölpreises meiner Meinung nach jetzt wieder die Energieaktien - jedenfalls für mittel- bis langfristig interessierte Anleger. Auf diesen Sektor werde ich noch zu sprechen kommen, will vorher aber die allgemeine "innere" Marktentwicklung zeigen.
Innerer Markt dreht deutlich nach oben
Die folgende Grafik zeigt Ihnen die Relation derjenigen an der New Yorker Börse notierten Aktien, die oberhalb ihrer 50 -Tage- Linie handeln und insofern unter dem Einfluss der Nachfrage stehen.
Die Darstellung beginnt ungefähr im Februar 2017, bitte beachten Sie, dass P & F Charts keine klassische Zeitachse haben. Maßgeblich für deren Veränderung ist einzig der Kampf zwischen Angebot und Nachfrage.
Gut erkennen Sie im rechten Bereich der Grafik, dass der Indikator Ende Oktober bei etwa 12 % ein neues Tief ausgebildet hat, welches sogar unter dem Februar-Tief lag. Eine derartig negative Ausprägung ist wirklich selten und durchschnittlich nur in jedem zweiten Jahr zu beobachten. Sehr typisch ist aber nach derartig extremen Marktsituationen, dass der breite Aktienmarkt von immerhin etwa 2.600 enthaltenen Titeln sehr schnell in seine mittlere Zone zurückdrängt. Ganz allgemein kann man sagen, dass je extremer der Marktzustand, desto stärker die anschließende Erholung.
Per Definitionem wird es richtig spannend für das Lager der Bullen, sobald sich eine positive X-Achse über das Niveau von 30 % schiebt. Oder in anderen Worten wieder mehr als 30 % der Titel von der Nachfrage gelenkt werden. Dann nämlich verringert sich das Risiko für uns Anleger, dass wir nur ein kurzes Strohfeuer bzw. eine kurze Rallye erleben, die schon bald wieder verkauft wird.
Nach dem Kaufsignal der vergangenen Woche bei 24 % wurde die kritische Marke von 30 % überschritten. Positiv ist auch, dass das Kaufsignal nach wie vor intakt ist - trotz der zwischenzeitlichen negativen 0-Spalte, die allerdings nicht das Niveau ihrer Vorgängerin unterbieten konnte. Sehr im Sinne der Käufe ist auch, dass die aktuelle X-Achse auf höherem Niveau als die vorhergehende beginnt. Positiv ist auch die wahrscheinlich abgeschlossene Bodenbildung des Indikators. Entsprechend dieses eher kurzfristigen und auf einige Wochen ausgelegten Risiko-Indikators ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die globalen Indizes bis Ende des Jahres einigen Boden gutmachen werden. Bitte behalten Sie auch im Hinterkopf, dass die Monate November, Dezember und Januar der erfolgreichste Zeitabschnitt des Jahres ist. Dies gilt insbesondere für ein so genanntes Zwischenwahljahr, in denen das typische Herbst-Tief besonders ausgeprägt ist.
Energieaktien: Total ausgebombt
In den vergangenen Wochen hat der plötzliche und nur schwer zu erklärende Ölpreisverfall für starke Bremsspuren im Energiesektor und den dazugehörigen Aktien gesorgt. Zweifellos profitieren die meisten Firmen im Sektor direkt oder indirekt von einem hohen Ölpreis. Entweder durch höhere Margen und Erlöse, oder durch die günstigere Investitionsbereitschaft. Seit September entwickelt sich der US-Sektor der Energieaktien deutlich schlechter als der übergeordnete S & P 500 Index und nahm einen Teil der Öl-Schwäche damit sogar vorweg.
Eine wichtige Frage für die Attraktivität dieses traditionell defensiven Sektors ist nun, ob und wie schnell sich der Ölpreis wieder erholt und für entsprechenden Rückenwind für den Sektor sorgt. Persönlich habe ich den Verdacht, dass die Saudis den Ölmarkt überreichlich versorgt haben, um den bis in den Spätsommer hinein festen Ölpreis zu dämpfen. Dies war aus politischen Gründen notwendig, um eine direkte Konfrontation mit den USA zu verhindern, die ein Zeichen der "Sühne" nach dem hinterhältigen Mord am Journalisten Kashoggi erwarteten. Ohne dieses Zuvorkommen gegenüber Trump hätte dieser evtl. weitere Sanktionen oder ein befristetes Waffenembargo verhängt.
Trotz der und unsicheren Zukunftsaussichten könnte der Energiesektor nun vor einer starken Gegenbewegung stehen. Obwohl es in den meisten Fällen interessanter ist, auf die stärksten Sektoren zu setzen, lohnt sich immer wieder auch der Blick auf die total ausgebombten Bereiche des Aktienmarktes, die vor einer Rallye stehen könnten. Dazu zähle ich die Energieaktien, was Ihnen der folgende Chart verdeutlicht. Abgebildet sehen Sie die Relation derjenigen Aktien des Sektors, die auf einem Kaufsignal im Sinne der P & F Technik handeln, also den Bullish Percent für den Energiesektor.
Wie Sie sehen, notieren heute nur noch 3 % der enthaltenen Aktien auf einem Kaufsignal der P & F Technik. In Anbetracht der Tatsache, dass die untere extreme (überverkaufte) Zone bei 30 % beginnt, befindet sich der Sektor in einem nur selten erreichten überverkauften Zustand. Zwar können extreme Marktzustände manchmal länger anhalten als man selber liquide ist, doch umgekehrt wissen wir auch, dass Märkte schnellstmöglich wieder ihren Normalzustand erreichen wollen. Sehr lange wird es nicht mehr dauern, bis wir den berüchtigten Gummiband- Effekt im Sektor beobachten. Auslöser dafür wird wahrscheinlich der sich wieder stabilisierende Ölpreis sein.
Auch diese Entwicklung ist bereits zaghaft zu beobachten. Bitte vergleichen Sie einfach die heutige Ausprägung mit den markanten Tiefs im Frühjahr dieses Jahres, dem Sommer 2017, dem Januar 2016 und den Herbst 2015. Auf jedes dieser lokalen Tiefs folgte eine Erholung von mindestens 10-15 %. Abwarten sollten wir jedoch, bis sich im Indikator eine positive X-Achse bildet, die das wachsende Interesse bei den Anlegern verdeutlicht.
DAX: gute Chance auf Bodenbildung
Im Augenblick verbreiten die einschlägigen Medien wenig Gutes über die Entwicklung des DAX. Typischerweise wird die Stimmung immer schlechter, je näher sich ein Index seiner potentiellen Bodenbildung nähert. Kein Wunder, denn dann fallen die Warnungen der üblichen Crash-Propheten auf den denkbar fruchtbarsten Boden. Leider vergessen viele Anleger, dass genau dann aber auch die Chancen für die mutigen und langfristig orientierten Investoren am größten sind. Meiner Meinung nach befinden wir uns jetzt diesem Punkt sehr nahe - wenigstens wenn die Konjunktur im nächsten Jahr nicht völlig ab schmiert.
Die folgende Grafik zeigt Ihnen den gelassenen P & F Chart des DAX, der die störenden Nebengeräusche ausblendet und sich ganz auf das Ringen der Käufer und Verkäufer konzentriert.
Zuerst sieht man natürlich, dass der übergeordnete Abwärtstrend vollkommen intakt ist. Daran gibt es nichts zu beschönigen. Interessant ist aber, dass die wichtige Unterstützung bei etwa 11.050 Punkten mehrfach erfolgreich getestet wurde. Anscheinend besteht kein besonderes Interesse, den DAX unter dieses Niveau zu drücken. Den größten Rückenwind erhalten die Bullen im Augenblick durch zwei Kaufsignale in Folge, nämlich bei 11.300 und 11.400 Punkten. An diesen Punkten hat die aktuelle positive X- Spalte die jeweils vorhergehende überschritten. Aus irgendwelchen Gründen ist die Kraft der Käufer auf diesem Niveau jetzt stärker als vorher. In den nächsten Tagen kommt es darauf an, die geballten Widerstände zwischen 11.500 und 11.650 zu überwinden. Erschwerend kommt hinzu, dass in diesem Bereich auch die fallende negative Widerstandsgerade ihre bremsende Wirkung entfacht. Das wird kein leichtes Spiel in den nächsten Tagen für das Bullenlager.
Positiv sind aber nicht nur die beiden geschilderten Kaufsignale, sondern vor allem der jetzt wahrscheinlich einsetzende Rückenwind der US- Börse. Dazu kommt dann noch der positive saisonale Effekt, der bis Ende Januar reichen sollte.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg mit ihren Investitionen und einen schönen Tag.
Ihr Klaus Buhl
Klaus Buhl, Geschäftsführer der Libra Invest GmbH (www.libra-invest.de), bekennender Anhänger von Point and Figure Charts und der Philosophie des "inneren Marktes".