Im zweiten Halbjahr 2021 seien die Auswirkungen der Energiepreise auf das Ergebnis von E.ON überschaubar gewesen, hieß es am Mittwoch bei der Vorlage der Geschäftszahlen für 2021. Im Energienetzgeschäft führten jedoch höhere Kosten für Netzverluste zum Beispiel in Schweden zu einer vorübergehenden Belastung. Diese wird laut E.ON jedoch durch Regulierungsmechanismen in den betroffenen Ländern über mehrere Jahre hinweg wieder aufgeholt werden.
Im vergangenen Jahr steigerte E.ON den bereinigten operativen Gewinn um rund eine Milliarde auf 7,9 Milliarden Euro. Während das Ergebnis im Segment Energienetze im Vergleich zu 2020 knapp vier Prozent einbüßte, legte der Bereich Kundenlösungen um fast die Hälfte zu, unter anderem wegen der Umstrukturierung des britischen Geschäfts. Zusammen ergeben die beiden Segmente das Kerngeschäft von E.ON und machen fast 80 Prozent des Konzerngeschäfts aus.
Aber auch das Nicht-Kerngeschäft steigerte den operativen Gewinn um über 75 Prozent. Dazu zählt der Rückbau der deutschen Kernkraftwerke, die von der Einheit Preussenelektra gesteuert werden, sowie das Erzeugungsgeschäft in der Türkei.
Der Konzernumsatz wuchs auch wegen der hohen Energiepreise auf Jahressicht um 27 Prozent auf knapp 77,4 Milliarden Euro. Das bereinigte Konzernergebnis erreichte 2,5 Milliarden Euro, mehr als anderthalbmal so viel wie 2020. Die Aktionäre sollen nun eine Dividende von 0,49 Euro je Aktie bekommen. Das sind zwei Cent mehr als 2020. Der Energieriese bestätigte seine Dividendenstrategie, die ein Wachstum von bis zu fünf Prozent pro Jahr bis 2026 vorsieht. Im vergangenen Jahr übertraf E.ON sowohl die eigenen Erwartungen als auch die der Analysten.
In Russland nimmt E.ON keine exponierte Position ein. Außerdem sei der Einkauf neuer Mengen seit Kriegsbeginn gestoppt. Damit geht E.ON auf Distanz zu seinem langjährigen russischen Gas-Partner Gazprom. Risiken sehe die E.ON-Führung hingegen für die Rohstoffmärkte und damit einhergehende Kredit- und Liquiditätsrisiken sowie Bewertungsrisiken bei Kapitalanlagen. Dazu zählt bei dem Essener Konzern auch die Beteiligung an der Nord Stream AG. Die Essener sind mit 15,5 Prozent an der Pipeline Nord Stream 1 beteiligt und profitieren bisher von Zinserträgen auf das investierte Kapital. Die Beteiligung ist ein Baustein des Pensionsvermögens. E.ON-Chef Leonhard Birnbaum schloss einen Abbau der Beteiligung zum jetzigen Zeitpunkt in einer Telefonkonferenz mit Journalisten am Mittwoch aus.
Ganz generell rechnet Birnbaum aber mit höheren Preisen für Strom und Gas. "Wenn wir dauerhaft ein deutlich höheres Niveau als in der Vergangenheit sehen, dann wird das irgendwann auch auf die Kunden durchschlagen müssen. Es ist völlig unmöglich, die Kunden davor zu schützen." Die Belastung müsse aber in einem vertretbaren Rahmen geschehen. Birnbaum sprach sich in diesem Zusammenhang für eine Senkung von Steuern und Abgaben vor allem auf Strom, aber auch auf Gas aus.
Ausblick auf das laufende Jahr
Im operativen Geschäft 2022 erwartet E.ON einen Gewinnrückgang. Dafür dürfte vor allem der Wegfall der Kernenergie verantwortlich sein. In erster Linie solle das Ergebnis durch ein signifikantes Wachstum aus eigener Kraft im Kerngeschäft erreicht werden, sagte Finanzchef Marc Spieker am Mittwoch in Essen. Mögliche Veräußerungen und Zukäufe sind in der Prognose jedoch nicht enthalten, ebenso wie die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs.
Das bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (bereinigtes Ebitda) soll 2022 zwischen 7,6 und 7,8 Milliarden Euro liegen. Das wären selbst im besten Fall 100 Millionen weniger als 2021. Analysten hatten im Durchschnitt etwa das untere Ende der Spanne auf dem Zettel. Ausgeklammert sind bei der Prognose mögliche Zu- und Verkäufe. So will E.ON nun strategische Optionen für sein Fernwärmegeschäft in Norrköping und Örebro in Schweden prüfen. Dazu zählt auch ein möglicher Verkauf. Der Rest des Fernwärmegeschäfts sei nicht Teil dieser Prüfung, hieß es am Mittwoch. Außerdem lotet der Konzern Chancen aus, einen Co-Investor für das Breitband-Infrastrukturgeschäft seiner Tochter Westenergie hereinzuholen.
E.ON hatte vergangenen November Veräußerungen im Wert von zwei bis vier Milliarden Euro angekündigt, um das Geschäftswachstum bis zum Jahr 2026 zu finanzieren. Von den geplanten Investitionen in Höhe von 27 Milliarden Euro bis 2026 soll rund ein Fünftel in diesem Jahr getätigt werden.
Für den bereinigten Konzernüberschuss peilt Spieker im laufenden Jahr eine Spanne von 2,3 bis 2,5 Milliarden Euro an. Die kurz- und langfristigen Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf den Konzern seien derzeit jedoch nicht vollständig abzuschätzen, hieß es.
Einschätzung zur E.ON-Aktie
Der Kurs der E.ON-Aktie lag am Mittwoch gegen Mittag noch knapp ein Prozent im Plus bei 10,94 Euro. Bis zum späten Nachmittag gab das Papier im deutlich steigenden Dax etwa 0,55 Prozent nach und notierte noch bei 10,79 Euro. Analysten verwiesen vor allem auf Sorgen und eine hohe Nervosität der Anleger angesichts des Kriegs in der Ukraine und etwaiger Russland-Engagements des Unternehmens. Charttechnik-Experten verwiesen zudem auf Hindernisse.
"Insgesamt sehen wir die Ergebnisse als ermutigend an", schrieb John Musk von der Bank RBC. Das gelte auch für die Prognosen des Managements. So hätten Investoren zuletzt befürchtet, dass die hohen Rohstoffpreise auf die Marge im Privatkundengeschäft drücken. Vor allem der Überschuss von E.ON kam bei Analysten etwa von Bernstein und JPMorgan gut an: Dabei wies neben der Bernstein-Expertin auch Analyst Vincent Ayral von JPMorgan allerdings darauf hin, dass die robusten Zahlen von einer starken Geschäftsentwicklung in den nicht zum Kerngeschäft gehörenden Aktivitäten gestützt worden seien. Diese hätten von einer soliden Verfügbarkeit der Kernenergie und der dortigen Preisentwicklung profitiert.
Für Fantasie im Aktienkurs des Papiers sorgt das Wasserstoffgeschäft, für das E.ON erhebliche Investitionen geplant hat. Wir bleiben bei unserer Kauf-Empfehlung.
dpa/rtr/iw