Unter Branchenkennern galt Epigenomics schon länger als Übernahmekandidat. In einem Interview mit unserem Print-Magazin BÖRSE ONLINE hatte Firmenchef Gergory Hamilton bereits vergangenen September gesagt: "Wenn Sie auf unsere Aktionärsstruktur mit über 90 Prozent Streubesitz schauen, ist eine Übernahme jederzeit möglich." Nun hat sich die Prophezeiung des Amerikaners erfüllt. CFIC bietet 7,52 Euro je Aktie für den Anbieter des blutbasierten Darmkrebstest Epi proColon. Das Beteiligungsunternehmen war bereits im November vergangenen Jahres mit 2,1 Prozent bei den Berlinern eingestiegen.

Das Angebot taxiert den Unternehmenswert des Diagnostik-Spezialisten auf 171 Millionen Euro. Gemessen am Durchschnittskurs der vergangenen drei Monate bieten die Chinesen damit einen Aufpreis von rund 50 Prozent. Nach Bekanntgabe der Nachricht zog die Aktie unmittelbar auf sieben Euro an - ein Kurssprung von gut 40 Prozent. Hamiltion empfiehlt das Angebot anzunehmen.

Auf den ersten Blick aber scheint CFIC ein ungeheures Schnäppchen machen zu wollen. Allein in den USA nehmen 20 Millionen Menschen nicht an Vorsorgeuntersuchungen zu Darmkrebs teil. Ein wesentlicher Grund: bisherige Tests sind Stuhlbasiert. Bei Epigenomics reicht eine Blutprobe. Anders als bei den bisherigen Verfahren liegt die Annahmequote hier bei 99 Prozent und Epi proColon wurde 2016 nach langer Vorarbeit endlich in den USA zugelassen.

Angenommen die 20 Millionen Amerikaner nutzen den Berliner Test, ergibt das bei dem bisher von den Behörden angedachten Erstattungspreis ein Marktvolumen von 1,6 Milliarden Dollar. Epigenomics betrachtet die Vergütung jedoch als deutlich zu gering und hat beantragt den Preis auf 160 Dollar zu erhöhen. Dann würde sich die Marktgröße sogar auf 3,2 Milliarden Dollar verdoppeln.

Allerdings ist es bis zu solchen Absätzen noch ein langer Weg und Umsatz ist nicht gleich Gewinn. Noch wird der Test nicht von den Gesundheitssystemen wie Medicare übernommen, das Präparat muss weiter an Bekanntheit gewinnen, zusätzliche Studien sind nötig und der Vertrieb muss ausgebaut werden. Was für einen Bremsklotz diese Hürden für die Einnahmeentwicklung darstellen, zeigt die Umsatzprognose für 2017. Diese beruht maßgeblich auf dem Verkaufserfolg des Darmkrebstest.

"Unser Umsatz wird daher vom zeitlichen Eintreten der Aufnahme in die Richtlinien medizinischer Fachgesellschaften sowie der Gewährung der Kostenerstattung durch Medicare beeinflusst sein.", so die Berliner. Aufgrund dieser Unsicherheit geht Epigenomics bisher nur von Umsätzen auf Vorjahresniveau in Höhe von 4,2 Millionen Euro aus. Allerdings halten sich der Berliner eine Prognoseerhöhung im weiteren Jahresverlauf offen, sollte es Fortschritte in Sachen Kostenerstattung geben.

Auch in diesem Jahr geht das Unternehmen daher von einem Verlust aus. Das operative Minus soll dabei mit minus 12 bis 13,5 Millionen Euro sogar leicht höher ausfallen als im Vorjahr. Zwar haben die Testentwickler genug Geld in der Kasse um die weiteren Geschäfte zu finanzieren, doch Firmenchef Gregory Hamilton hält sich die Möglichkeit weitere Finanzmittel einzuwerben in seinem Ausblick offen.

Auf Seite zwei: Einschätzung der Redaktion

Einschätzung der Redaktion



Wie so oft in der Pharmaindustrie erscheint das Potential für Epigenomics riesig. Gemessen an dem möglichen Marktvolumen ist die Kaufofferte klar zu niedrig. Zusätzlich werden weitere Produktentwicklungen wie ein Test für Lungenkrebs sowie die Chancen der weltweiten Vermarktung von Epi proColon außer Acht gelassen. Natürlich ist keineswegs gewiss, ob diese Chancen vollumfänglich realisiert werden können. Die Berliner brauchen weiter Zeit und Geld um ihren Darmkrebstest in den USA zu etablieren und der enttäuschende Aussblick auf das laufende Jahr zeigt, dass Aktionäre hier weiter Geduld mitbringen müssen.

Dennoch beweist die erreichte Marktzulassung in den USA, dass Epi proColon nicht die schlechtesten Erfolgsaussichten hat und das Management bisher in der Lage war, diese zu nutzen. Auch wenn das Management empfiehlt das Angebot anzunehmen und der gebotene Aufpreis hohe Gewinnmitnahmen möglich macht, sollten risikobereite Anleger die Offerte ausschlagen. Das Kaufangebot von CFIC wird ab einer Annahmequote von 75 Prozent wirksam. Wer seine Aktien behält, wäre auch nach der Übernahme an einem börsennotierten Unternehmen und dessen Entwicklung beteiligt. Sollten die Chinesen anschließend eine Komplettübernahme anstreben, könnte der Abfindungspreis bei einem Squezze-Out über dem jetzigen kaufangebot liegen. Halten.