Die Forderung des österreichischen Bundeskanzlers Christian Kern nach Beendigung der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei wurde in Ankara scharf kritisiert.
Erdogan hat der Bewegung des einst mit ihm verbündeten islamischen Predigers Gülen und der von ihm inspirierten Bewegung die Schuld an dem versuchten Militärputsch Mitte Juli gegeben. Nach einer breiten Verhaftungswelle gegen mutmaßliche Gülen-Anhänger in Armee, Verwaltung und dem Bildungssektor mit rund 60.000 Festnahmen will sich Erdogan nun offenbar die Wirtschaft vornehmen.
Die von Gülen betriebenen Unternehmen, Schulen und Wohltätigkeitsorganisationen seien "Nester des Terrorismus", ein Krebsgeschwür, das sich überall ausgebreitet habe, sagte er. Die Gülen-Bewegung sei am stärksten in der Wirtschaft. Diese Verbindungen würden gekappt. Bei ihrer Zerschlagung werde es "keine Gnade geben".
Erdogan wirft Gülen vor, über seine Unternehmen und Einrichtungen in der Türkei eine Parallelstruktur geschaffen zu haben, mit der er den Staat habe übernehmen wollen. Gülen, der in den USA im selbstgewählten Exil lebt, bestreitet die Vorwürfe Erdogans. Die Behörden hatten bereits vor dem Putschversuch eine Bank beschlagnahmt und mehrere Medienunternehmen geschlossen oder übernommen, die Verbindungen zu Gülen haben sollen. Mehrere Geschäftsleute wurden inhaftiert.
In seiner Rede forderte Erdogan die Zentralbank auf, ihre Reserven an ausländischen Devisen auf mindestens 165 Milliarden Dollar aufzustocken. Die Geschäftsbanken sollten zudem ihre Zinsen für Immobilienkredite auf rund neun Prozent reduzieren. Der Staatschef hatte zuvor mehrfach bekräftigt, dass die Wirtschaft des Landes trotz des versuchten Militärputsches stark sei und bleibe. Die Ratingagentur S&P hatte nach dem Putschversuch die Bonitätsstufe der Türkei um eine Stufe gesenkt und den Ausblick auf "negativ" gesetzt. Zudem stufte die Agentur das Land als Hochrisikoland ein. Damit ist es für die Türkei teurer geworden, sich am Kapitalmarkt zu finanzieren.
EU GEGEN ÖSTERREICHS FORDERUNG NACH STOPP BEITRITTSGESPRÄCHE
Österreichs Bundeskanzler Kern forderte angesichts der Entwicklung in der Türkei, die EU-Beitrittsverhandlungen zu beenden, die ohnehin nur eine "diplomatische Fiktion" seien. "Wir werden ein alternatives Konzept verlangen", sagte Kern im ORF-Fernsehen mit Blick auf den informellen EU-Gipfel am 16. September. Ein hoher EU-Offizieller bezeichnete Kerns Äußerungen als "zu früh" und Teil einer innenpolitischen Debatte in Österreich.
Kern stehe unter massivem Druck der rechtspopulistischen FPÖ. "Die EU sollte die Verhandlungen mit der Türkei nicht beenden, aber wir müssen es tun, wenn die Türkei in eine Art semiautoritären Staat abgleitet", sagte er. Die Bundesregierung in Berlin verwies auf frühere Aussagen, wonach die Beitrittsverhandlungen ergebnisoffen geführt würden.
Die Regierung in Ankara reagierte dagegen scharf: "Es ist verstörend, dass seine Kommentare ähnlich wie die der Rechtsaußen klingen", sagte Europaminister Omer Celik am Donnerstag in Ankara in Anspielung auf die Positionen der rechtspopulistischen FPÖ in Österreich.
rtr