Putin, der auch 2006 Präsident war, habe vermutlich den Einsatz des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB gebilligt, bei dem Litwinenko in seinem Exil in London vergiftet wurde, heißt es in dem Bericht. Putin und seine Regierung hätten Motive für einen Mord gehabt. "Es bestand ohne Zweifel eine persönliche Dimension in der Feindschaft zwischen Litwinenko einerseits und Präsident Putin andererseits", erklärte Richter Robert Owen in seinem Bericht. Die britische Regierung prüft nach eigenen Angaben nun weitere Schritte gegen Russland. "Dies ist nicht die Art und Weise, wie ein Staat sich verhalten sollte - geschweige denn ein Ständiges Mitglied des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen", sagte eine Sprecherin von Premierminister David Cameron. Russland reagierte empört und kritisierte die Ermittlungen als voreingenommen und politisch motiviert.
Dem Untersuchungsbericht zufolge haben die russischen Agenten Andrej Lugowoj und Dmitri Kowtun den 43-jährigen Litwinenko mit dem seltenen radioaktiven Stoff Polonium-210 vergiftet. Der Ex-Agent starb, nachdem er eine Tasse vergifteten Tees in einem Hotel in London getrunken hatte. "Nach Berücksichtigung aller Beweise und Untersuchungen, die mir zur Verfügung standen, komme ich zu dem Schluss, dass der FSB-Einsatz zur Ermordung Litwinenkos vermutlich von Patruschew und auch von Präsident Putin gebilligt wurde", erklärte Owen, der die Ermittlungen leitete. Nikolai Patruschew war seinerzeit Chef des FSB, einer Nachfolgeorganisation des Geheimdienstes KGB. Lugowoj und Kowtun hätten auf Anweisung des FSB gehandelt, heißt es in Owens Bericht. Die Regierung Putins, der Präsident selbst und auch Patruschew hätten Motive für ein Vorgehen gegen Litwinenko gehabt. Dazu habe auch ein Mord gehört.
RUSSLAND: "EIN REINER KRIMINALFALL WIRD POLITISIERT"
Litwinenko selbst, der sechs Jahre zuvor aus seiner Heimat geflohen war, hatte noch auf dem Sterbebett gegenüber Ermittlern Putin beschuldigt, hinter dem Giftanschlag zu stecken.
Russland dagegen, das eine Unterstützung der Ermittlungen verweigert hatte, wies eine Beteiligung an dem Mord stets zurück. "Wir bedauern, dass ein reiner Kriminalfall politisiert wird", sagte die Sprecherin des Außenministeriums, Maria Sacharowa. Dies belaste die Beziehungen beider Länder zueinander. Die Ermittlungen seien nicht transparent für die russische Seite und die Öffentlichkeit gewesen, monierte Sacharowa. Das Ergebnis sei daher das eines "politisch motivierten und extrem undurchsichtigen Prozesses".
Auch der des Mordes beschuldigte Lugowoj verwahrte sich gegen die Vorwürfe. "Die Anschuldigungen, die gegen mich vorgebracht wurden, sind absurd", sagte er der Nachrichtenagentur Interfax. Die Ermittlungsergebnisse seien ein weiterer Beweis für die anti-russische Haltung der britischen Regierung, für ihr Scheuklappen-Denken und ihre Weigerung, die wahre Ursache für Litwinenkos Tod nachzuweisen, sagte Lugowoj. Er ist heute Abgeordneter der ultra-nationalistischen Liberaldemokratischen Partei.
"UNVERHOHLENER BRUCH DER VÖLKERECHTES"
Die britische Innenministerin Theresa May sagte, die Schlussfolgerung, dass der russische Staat wahrscheinlich in den Mord verwickelt sei, sei sehr beunruhigend. "Das war ein unverhohlener und inakzeptabler Bruch der meisten Grundsätze des Völkerrechtes und ein Verstoß gegen zivilisiertes Verhalten", kritisierte May. Sie kündigte an, der russische Botschafter werde einbestellt, um ihm das Missfallen der Regierung wegen mangelnder Kooperation bei den Ermittlungen auszudrücken. Außerdem würden Konten im Zusammenhang mit dem Fall eingefroren.
Der gewaltsame Tod Litwinenkos in London hatte die Beziehungen zwischen Großbritannien und Russland bereits 2006 auf einen Tiefpunkt sinken lassen. Dass es überhaupt zu den Ermittlungen kam, ist der Hartnäckigkeit von Litwinenkos Witwe Marina zu verdanken. Sie forderte nun die Ausweisung russischer Agenten aus Großbritannien: "Ich verlange auch gezielte Wirtschaftssanktionen und Reisesperren für bestimmte Leute - auch für Patruschew und Putin."
Reuters